Sonder-Newsletter X - Aktuelles zum Gesellschaftsrecht

Bereits das im Zug des 2. COVID-19-Gesetzes erlassene Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG) brachte beachtenswerte Änderungen im Gesellschaftsrecht für die Willensbildung einer Gesellschaft. Details dazu finden Sie in unserem Sonder-Newsletter zum 2. COVID-19-Gesetz, Pkt III.

Das COVID-19-GesG wurde durch Art 35 des 4. COVID-Gesetz geändert. Weiters trat am 09.04.2020 die Verordnung Nr 140/2020 der Justizministerin (COVID-19-GesV) mit näheren Regelungen für gesellschaftsrechtliche Versammlungen in Kraft. Zur Erläuterung dieser Verordnung veröffentlichte das Justizministerium einen Erlass (siehe Erlass des Justizministeriums).

Die Verordnung tritt mit 31.12.2020 außer Kraft.

 


I. Möglichkeit virtueller Versammlungen

 

1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 können Versammlungen von Gesellschaftern (zB Haupt-, Generalversammlungen) und Organmitgliedern (zB Aufsichtsratssitzungen) einer

  • Kapitalgesellschaft (zB GmbH, AG),
  • einer Personengesellschaft (zB OG, KG),
  • einer Genossenschaft,
  • einer Privatstiftung,
  • eines Vereins,
  • eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit,
  • eines kleinen Versicherungsvereins oder
  • einer Sparkasse

ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden.

 

2. Zulässigkeit virtueller Versammlungen (zB Aufsichtsratssitzungen, Haupt- und Generalversammlungen)

2.1. Die Durchführung einer virtuellen Versammlung ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • Teilnahmemöglichkeit an der Sitzung von jedem Ort aus mittels akustischer und optischer Zweiwegverbindung in Echtzeit
  • Jeder Teilnehmer muss die Möglichkeit haben, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen.

 

2.2. Falls einzelne (höchstens jedoch die Hälfte) der Teilnehmer

  • nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung mit der virtuellen Versammlung verfügen oder
  • diese Mittel nicht verwenden können oder wollen

       ist es ausreichend, wenn diese Teilnehmer nur akustisch mit der Versammlung verbunden sind.

 

2.3. Die Entscheidung, ob eine virtuelle Versammlung durchgeführt werden soll und welche Verbindungstechnologie dabei zum Einsatz kommt, trifft das Organ oder Organmitglied, das die betreffnde Versammlung einberuft. Bei einer Aufsichtsratssitzung ist dies grundsätzlich der Aufsichtsratsvorsitzende, bei einer Generalversammlung einer GmbH die Geschäftsführung.

 In der Einberufung der virtuellen Versammlung ist anzugeben, welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der virtuellen Versammlung bestehen.

 

2.4. Wenn Anlass zu Zweifeln an der Identität eines Teilnehmers besteht, so hat die Gesellschaft seine Identität auf geeignete Weise zu überprüfen.

 

2.5. Die Gesellschaft ist für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln nur insoweit verantwortlich, als diese ihrer Sphäre zuzurechnen sind.

 

3. Sonderbestimmungen für die Hauptversammlung einer AG

3.1. Aufgrund des typischerweise größeren Teilnehmerkreises bei einer Hauptversammlung einer AG gelten dafür Sonderbestimmungen.

Für die virtuelle Durchführung der Hauptversammlung einer AG ist es ausreichend, wenn die Aktionäre die virtuelle Hauptversammlung optisch und akustisch mitverfolgen, sich aber nicht unmittelbar zu Wort melden oder abstimmen können. Diese Möglichkeiten müssen ihnen jedoch während der Versammlung auf andere Weise eingeräumt werden (zB durch elektronische Übermittlung schriftlicher Anfragen oder Anträge in einem bestimmten Zeitfenster während der Versammlung, die dann vom Vorsitzenden vorgelesen werden; Einsatz spezieller Abstimmungssoftware).

 

3.2. Auch dafür gilt, falls einzelne (höchstens jedoch die Hälfte) der Teilnehmer

  • nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung mit der virtuellen Versammlung verfügen oder
  • diese Mittel nicht verwenden können oder wollen

ist es ausreichend, wenn diese Teilnehmer nur akustisch mit der Versammlung verbunden sind.

 

3.3. Die Bestimmungen über die Fernteilnahme (§ 102 Abs 3 Z 2 AktG) und die Fernabstimmung (§ 102 Abs 3 Z 3 AktG und 126 AktG) sind ergänzend sinngemäß anzuwenden.

 

3.4. Bei börsennotierten Gesellschaften oder Gesellschaften mit mehr als 50 Aktionären kann vorgesehen werden, dass die Stellung eines Beschlussantrags, die Stimmabgabe und die Erhebung eines Widerspruchs in der virtuellen Hauptversammlung nur durch einen besonderen Stimmrechtsvertreter erfolgen kann. Als besondere Stimmrechtsvertreter hat die Gesellschaft zumindest vier geeignete und von ihr unabhängige Personen vorzuschlagen, von denen zumindest zwei Rechtsanwälte oder Notare sein müssen. Die Kosten der besonderen Stimmrechtsvertreter trägt die Gesellschaft.

 

3.5. Grundsätzlich soll auch die Einberufung der Hauptversammlung die Informationen über die organisatorischen und technischen Maßnahmen enthalten. Es ist jedoch ausreichend, wenn diese Informationen ab dem 21. Tag vor der Hauptversammlung gemäß § 108 Abs 3 bis 5 AktG bereitgestellt werden (bei einer börsenotierten AG muss diese Information auf der Gesellschaftswebsite erteilt werden) und dies in der Einberufung angekündigt wird. Wurde die Einberufung einer Hauptversammlung bereits vor dem 08.04.2020 veröffentlicht, reicht es, wenn diese Informationen ab dem 14. Tag vor der Hauptversammlung § 108 Abs 3 bis 5 AktG bereitgestellt werden.

 

3.6. Zusätzlich zur virtuellen Hauptversammlung kann auch eine Übertragung der Hauptversammlung und/oder Abstimmung per Brief erfolgen, auch wenn dies die Satzung nicht vorsehen sollte.


II. Fristverlängerung für Abhaltung einer ordentlichen Haupt- oder Generalversammlung

Die Frist für die Abhaltung der ordentlichen Haupt- oder Generalversammlung wurde verlängert. Sie muss innerhalb der ersten zwölf Monate des Geschäftsjahres abgehalten werden.

 


Die Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses wurde um vier Monate verlängert, die Frist für die Einreichung des Jahresabschlusses um drei Monate.