Newsletter 01/2021 - Unger Rechtsanwälte

 

1.1. Gesamtreform Exekutionsrecht (GREx)

Der Gesetzgeber plant die Exekutionsordnung vollständig zu ändern sowie kleinere Änderungen im Insolvenzrecht vorzunehmen. Ziel der Reform ist die Steigerung der Effizienz des Exekutionsverfahrens zur Hereinbringung von Forderungen. Exekutionen gegen offenkundig insolvente Verpflichtete (= Schuldner) sollen künftig verhindert werden.

Die Begutachtungsphase des Gesetzesentwurfes wurde am 07.01.2021 abgeschlossen. Das geplante Datum des Inkrafttretens ist der 01.07.2021.

Das Vorhaben umfasst im Wesentlichen folgende Maßnahmen:

  • Die Exekution auf Forderungen und Vermögensrechte soll erleichtert werden. Der Zugriff auf offene Forderungen gegen Unternehmen soll ermöglicht werden, ohne dass der Gläubiger das ausdrücklich im Exekutionsantrag angeben muss. Im Rahmen eines erweiterten Exekutionspakets wird künftig ein Verwalter bestellt, der nicht nur für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist, sondern der auch etwaige Vermögensobjekte ermitteln muss.
  • Die Verfahren zur Hereinbringung von Geldforderungen (gerichtet auf bewegliches Vermögen) sollen beim allgemeinen Gerichtsstand des Verpflichteten zusammengefasst werden; Dadurch sollen voneinander abweichende Entscheidungen, die Einkommensbezüge des Verpflichteten betreffen (zB bei der Zusammenrechnung) vermieden werden.
  • Die Zusammenfassung der Verfahren ermöglicht die Wahrnehmung, ob der Verpflichtete zahlungsunfähig ist.  Damit wird erreicht, dass Forderungen gegen insolvente Schuldner nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen hereingebracht werden.
  • Durch redaktionelle Änderungen, insb. systematischer und sprachlicher Natur, soll die Anwendung der Exekutionsordnung erleichtert werden.

Selbstverständlich halten wir Sie zur Exekutionsrechtsreform weiterhin am Laufenden!

 

1.2. Homeoffice

1.2.1. Neue gesetzliche Regelungen für Frühjahr 2021

Bisher gibt es keine auf Homeoffice zugeschnittene gesetzliche Regelung. Laut Ö1 Interview vom 13.01.2021, mit dem neuen Arbeitsminister Martin Kocher, ist das Gesetz zur Telearbeit/ Homeoffice „so gut wie fertig“ und sei mit einem Regelwerk noch im Jänner zu rechnen. Die Sozialpartner sind sich einig. Nunmehr sind noch „letzte steuerrechtliche Fragen“ vom Finanzministerium zu prüfen.

Im Dezember hat das Arbeitsministerium zwei neue Leitfäden zu „Ergonomisches Arbeiten im Homeoffice“ sowie „Organisatorische Spielregeln im Homeoffice“ veröffentlicht.

 

Kernpunkte

Das Gesetz soll folgende Regelungen enthalten:

  • Kosten für Strom und Infrastruktur: Es soll eine pauschale Absetzbarkeit oder die Absetzbarkeit der tatsächlich angefallenen Kosten (rückwirkend) möglich sein.
  • Abschluss einer Unfallversicherung.
  • Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Martin Kocher sieht Deutschland als Vorbild. Laut dortigem Gesetzesentwurf können Steuerpflichtige für jeden Kalendertag, an dem sie ausschließlich daheim arbeiten, pauschal EUR 5,00 (max EUR 600,00/Jahr) für 2020 und 2021 steuerlich absetzen.

 

1.2.2. Aktuelle Rechtslage - Übersicht

Allgemein zu Homeoffice

Wie bereits ausgeführt, gibt es in Österreich bisher keine einschlägigen gesetzlichen Grundlagen. Zum Teil enthalten Kollektivverträge (KV) Vorgaben und notwendige Regelungsinhalte („Rahmenbedingungen“). KV bezeichnen Homeoffice idR als Telearbeit.

 

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die Vereinbarung von Homeoffice freiwillig. Es empfiehlt sich eine schriftliche Vereinbarung. Kollektivverträge verlangen idR Schriftlichkeit. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers ist unzulässig.

Die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers ändert sich durch Homeoffice nicht. Diese haben die gleichen Rechte und Pflichten wie Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung am Betriebsstandort erbringen.

 

Arbeitszeit im Homeoffice

Die Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Dies ändert sich auch im Homeoffice nicht (§ 2 Abs 2 AZG). Es gelten alle Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und des Arbeitsruhegesetzes (ARG), wie etwa die Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit, die Pausenregelungen und die Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung.

Für die Arbeitszeitaufzeichnung im Homeoffice enthält das AZG allerdings eine Ausnahme: Für Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben, sind ausschließlich Aufzeichnungen über die Dauer der Tagesarbeitszeit zu führen („Saldenaufzeichnung“, § 26 Abs 3 ARG). Die Führung der Zeitaufzeichnungen kann auf den Arbeitnehmer übertragen werden, dies entbindet den Arbeitgeber aber nicht von seiner Kontrollpflicht.

In der Homeoffice-Vereinbarung sollte klargestellt werden, dass Mehr- und Überstunden nur vergütet werden, so diese ausdrücklich angeordnet wurden.

 

Zwingend Homeoffice?

ArbeitnehmerInnen und Lehrlinge, die zu einer Risikogruppe aufgrund eines COVID-19-Risiko-Attests gehören, haben Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, außer sie können (1) ihre Arbeitsleistung im Home-Office erbringen oder (2) die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist. Dabei sind auch Maßnahmen für den Arbeitsweg mit einzubeziehen (§ 735 ASVG). Daraus ergibt sich, dass diese „zwingend“ die Arbeitsleistung im Home-Office erbringen müssen, so dies möglich ist und die Arbeitsbedingungen zur Vermeidung einer Ansteckung mit COVID-19 in der Arbeitsstätte nicht entsprechend gestaltet werden können. Dies gilt derzeit bis 31.03.2021.

Arbeitnehmer und Lehrlinge, die zu einer Risikogruppe aufgrund eines COVID-19-Risiko-Attests gehören, haben Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, außer sie können ihre Arbeitsleistung im Homeoffice erbringen (§ 735 ASVG). Daraus ergibt sich, dass diese „zwingend“ die Arbeitsleistung im Homeoffice erbringen müssen, so dies möglich ist. Dies gilt derzeit bis 31.03.2021 (siehe Punkt 2.1.).

 

Unfälle im Homeoffice

Es gab bisher keine gesetzlichen Regelungen zum Unfallversicherungsschutz im Homeoffice. Um Rechtssicherheit zu schaffen, wurde für die Dauer der COVID-19-Krise klargestellt, dass Arbeitsunfälle auch Unfälle sind, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung am Aufenthaltsort der versicherten Person (Homeoffice) ereignen (§ 175 Abs 1a ASVG). Dies gilt derzeit bis 31.03.2021.


 

2.1. Verlängerung der Dienstfreistellung für COVID-19-Risikogruppen

§ 735 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)

Ich unserem Sonder-Newsletter VIII - 3. COVID-19-Gesetz - Arbeits-, Sozial- und Einkommenssteuerrecht haben wir über die Freistellung von COVID-19-Risikogruppen berichtet. Diese bezahlte Freistellung wurde bis zum Ablauf des 31.03.2021 verlängert (BGBl. II Nr. 609/2020).

 

2.2. Sonderbetreuungszeit verlängert von 01.11.2020 bis 09.07.2021

§ 18b Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG)

Im Sonder-Newsletter II, Sonder-Newsletter III sowie Sonder-Newsletter VIII haben wir zur Sonderbetreuungszeit von bis zu drei Wochen bei betreuungspflichten für Kinder bis 14 Jahren und Menschen mit Betreuungsnotwendigkeit berichtet. Die Sonderbetreuungszeit wird nun erneut erweitert (BGBl. I Nr. 131/2020).

 

2.2.1. Gültigkeit

Die Sonderbetreuungszeit wird rückwirkend ab 01.11.2020 bis 09.7.2021 weitergeführt. In diesem Zeitraum haben Arbeitnehmer, die Kinder bis zum 14. Lebensjahr oder Menschen mit Behinderungen betreuen müssen nunmehr einen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit im Ausmaß von bis zu vier Wochen. Auch Schlüsselkräfte können von der Sonderbetreuungszeit Gebrauch machen. Der Rechtsanspruch gilt, wenn

  • (Schul-) Einrichtungen auf Grund behördlicher Maßnahmen teilweise oder vollständig geschlossen werden,
  • das Kind aufgrund Quarantänemaßnahmen abgesondert werden muss.

Damit soll es Eltern ermöglicht werden, der Betreuung bei laufendem Arbeitsverhältnis nachzugehen.

Der Rechtsanspruch gilt nur, wenn es keine alternativen Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt. Schulen oder Kindergärten, die für die Kinderbetreuung geöffnet bleiben, stellen eine alternative Kinderbetreuungsmöglichkeit dar. 

 

2.2.2. Pflichten des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber unverzüglich nach Bekanntwerden der Schließung zu verständigen und alles Zumutbare zu unternehmen, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt (zB angebotenes Homeoffice annehmen, Freistellung auf die notwendigen Tage oder Stunden beschränken, angebotene Arbeitszeitverschiebung annehmen).

 

2.2.3. Entgeltfortzahlung und Vergütung für Arbeitgeber

Bisher hatte der Arbeitgeber Anspruch auf Vergütung von 50% des fortgezahlten Entgelts. Der Anspruch der Vergütung erhöht sich nunmehr auf 100% des fortgezahlten Entgelts. Der Anspruch auf Vergütung ist mit der Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG iHv € 5.370 brutto pro Monat gedeckelt.

 

2.2.4. Geltendmachung der Vergütung für Arbeitgeber – FRIST!

Der Anspruch ist binnen sechs Wochen ab dem Ende der Sonderbetreuungszeit bei der Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG) geltend zu machen. Der Arbeitgeber hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung der BHAG einen Bescheid zu verlangen, wenn dem Antrag auf Vergütung nicht vollinhaltlich stattgegeben wird. Gegen diesen Bescheid kann ein Rechtsmittel erhoben werden.

 

2.2.5. Zeitraum

Insgesamt darf von 01.11.2020 bis 09.07.2021 die Vergütung für die Sonderbetreuungszeit 4 Wochen nicht übersteigen. Zu Unrecht bezogene Vergütungen sind zurückzuzahlen.

 

2.3. Sonderfreistellung neu für Schwangere gültig bis 31.03.2021

§ 3a Mutterschutzgesetz (MschG)

2.3.1. Anwendungsbereich

Ab Beginn der 14. Schwangerschaftswoche besteht vermehrt die Gefahr eines schwereren Krankheitsverlaufes bei einer Infektion mit COVID-19.  Werdende Mütter dürfen §3a Mutterschutzgesetz (MschG) daher ab Beginn der 14. Schwangerschaftswoche bis zum Beschäftigungsverbot keine Arbeiten erbringen, bei denen ein physischer Körperkontakt mit anderen Personen erforderlich ist, zB bei Friseurinnen, Stylistinnen, Kosmetikerinnen, Physiotherapeutinnen, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen.

 

2.3.2. Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass kein physischer Körperkontakt erfolgt und der Mindestabstand eingehalten wird. Ist dies nicht möglich, ist die Arbeitnehmerin auf einen anderen Arbeitsplatz, ohne erforderlichen physischen Körperkontakt und mit einhaltbarem Mindestabstand einzusetzen. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit in ihrer Wohnung ausüben kann (Homeoffice).

 

2.3.3. Sonderfreistellung

Scheidet eine Änderung der Arbeitsbedingungen aus, besteht ein Anspruch auf Sonderfreistellung und Fortzahlung des Entgelts. Lediglich beim Zusammentreffen mit absoluten oder vorverlegten Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz gehen diese Bestimmungen der Sonderfreistellung vor.

 

2.3.4. Vergütung für Arbeitgeber – FRIST!

Der Arbeitgeber hat für den Freistellungszeitraum Anspruch auf Erstattung des geleisteten Entgelts sowie die abzuführenden Steuern und Abgaben.

Der Antrag auf Kostenrückerstattung ist spätestens 6 Wochen nach dem Ende der Freistellung unter Vorlage der entsprechenden Nachweise beim Krankenversicherungsträger einzubringen.

 

2.4. Beendigung eines Dienstverhältnisses nach Corona Kurzarbeit

§ 37b Arbeitsmarktservicegesetz; Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19)

Für viele Unternehmer stellt sich nach Auslaufen der Kurzarbeit die Frage, welche Möglichkeiten es zur Beendigung von Dienstverhältnissen gibt und was dabei zu beachten ist.

 

2.4.1. Behaltefrist

Nach Beendigung der Kurzarbeit besteht für die betroffenen Arbeitnehmer eine Behaltefrist. Die Dauer der Behaltefrist beträgt grundsätzlich einen Monat (abhängig von der Sozialpartnerschaftsvereinbarung). Kündigungen dürfen erst nach dem Ende der Behaltefrist ausgesprochen werden.  

Eine Ausnahme besteht nur im Falle der Zustimmung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) oder des Arbeitsmarktservices (AMS).  Betriebsverfassungsrechtliche Kündigungsvorverfahren und das AMS-Frühwarnvorverfahren können allerdings bereits während der Behaltepflicht eingeleitet werden.

 

2.4.2. Einvernehmliche Auslösung

Eine einvernehmliche Auflösung ist an keine Fristen gebunden.

 

2.5. Anpassung der Kündigungszeiten für Arbeiter und Angestellte verschoben

§§ 1159 iVm 1503 (15) ABGB

Die Kündigungsfristen der Arbeiter werden an jene der Angestellten angeglichen. Das Gesetz tritt aber nicht wie geplant am 01.01.2021, sondern erst mit 01.07.2021 in Kraft und gilt für Kündigungen, welche nach dem 30.06.2021 ausgesprochen werden. Die Angleichung gilt auch für Teile der Land- und Forstwirtschaft. Für Kündigungen, die vor dem 01.07.2021 ausgebrochen wurden, gelten die alten Fristen.


 

3.1. Entlastung und Untreue des Geschäftsführers

Sachverhalt und Hintergrund:

Ein Geschäftsführer einer GmbH konvertierte namens der GmbH deren Kredit bei einer Bank eigenmächtig in eine andere Währung, obwohl die Gesellschafter die Aufnahme des Fremdwährungskredits ausdrücklich abgelehnt und eine Aufnahme eines EUR-Kredits beschlossen hatten. Zudem veranlasste er mehrmals rechtsgrundlos Überweisungen vom Konto der GmbH, indem er an Verpächter von Liegenschaften und damit auch an sich selbst und seiner Ehefrau über die angemessenen und vereinbarten Pachtzinse hinaus teils selbst Zahlungen tätigte, teils einen zweiten Zeichnungsberechtigten damit beauftragte. Der GmbH entstand dadurch ein Schaden von über EUR 46.000,00.

Der Geschäftsführer wurde vom Gericht der Untreue für schuldig bekannt. Der Untreue gem § 153 StGB macht sich strafbar, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

Für Untreue droht eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Monate oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Wird aber ein Schaden über EUR 5.000,00 herbeigeführt, droht eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren; bei einem Schaden über EUR 300.000,00 eine Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren.

 

OGH (OGH 11 Os 46/20d):

Der OGH hatte primär die Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verjährung der Tathandlungen zu beurteilen. Da das Erstgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, verwies der OGH die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurück.

Der OGH merkte aber an, dass ein Geschäftsführer auch der Untreue gem § 153 StGB schuldig sein kann, wenn eine Entlastung des Geschäftsführers erfolgt. Durch die spätere Entlastung allein liegt auch keine strafbefreiende tätige Reue gem § 167 StGB vor.

 

3.2. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder bei Zustimmung zur Gewährung eines Darlehens trotz unzureichender Bonität

Sachverhalt und Hintergrund:

Ein Aufsichtsrat einer AG stimmte einstimmig einer Darlehensgewährung (Kredit) an eine Holding AG zu. Mit dieser bestand eine enge geschäftliche und gesellschaftsrechtliche Verbindung. Die Liquiditätslage der das Darlehen gewährenden AG war angespannt. Die Holding AG als Darlehensnehmerin verfügte über nahezu keine Einnahmen aus dem operativen Geschäft. Der Aufsichtsrat der AG genehmigte das Darlehen an die Holding AG ohne jegliche Sicherheiten. Die Holding AG zahlte in der Folge das Darlehen nicht zurück. Es wurde über diese das Insolvenzverfahren eröffnet.

 

OGH (OGH 6 Ob 58/20b):

Ein Aufsichtsratsmitglied haftet für einen Mangel an Sorgfalt, die man von einem ordentlichen Aufsichtsratsmitglied nach der besonderen Lage des Einzelfalls verlangen kann; er muss in geschäftlichen und finanziellen Dingen ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen besitzen als ein durchschnittlicher Kaufmann und die Fähigkeit haben, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beurteilen. Ein Aufsichtsratsmitglied muss die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns anwenden. Die Haftung des Aufsichtsratsmitgliedes besteht auch bei nur leichtem Verschulden.

 

Bei den zustimmungspflichtigen Geschäften gem § 95 AktG hat der Aufsichtsrat insbesondere die Auswirkungen auf die künftige Vermögens- und Ertragslage der AG und die Veränderung der Risikoposition durch das Geschäft als Kriterien heranzuziehen. Entspricht das Geschäft nicht dem Wohl des Unternehmens, darf der Aufsichtsrat dem Geschäft nicht zustimmen.

Eine Zustimmung zur Gewährung eines Darlehens ohne Sicherheiten ist haftungsbegründend für Aufsichtsratsmitglieder, wenn

  • die Liquiditätslage der Gesellschaft angespannt ist und
  • das Darlehen wegen der engen gesellschaftsrechtlichen und geschäftlichen Verbindung gegeben wird, obwohl die Gesellschaft, die das Darlehen bekommen soll, praktisch keine Einnahmen erzielt.

Diese Umstände waren den Aufsichtsratsmitgliedern bekannt. Stimmen sie dennoch zu, ist dies pflichtwidrig. Sie haften für einen daraus der Gesellschaft resultierenden Schaden.

So die Aufsichtsratsmitglieder damit auch einer verbotenen Einlagenrückgewähr zugestimmt haben, haften sie der Gesellschaft auch für den daraus entstehenden Schaden.

 

3.3. Informationsrecht der GmbH-Gesellschafter zu verbundenen Unternehmen

Sachverhalt und Hintergrund:

In der Entscheidung des OGH stellten 20% Gesellschafter der GmbH einen Antrag auf Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der Holding. Mit der GmbH verbunden waren eine AG und eine GmbH & Co KG.

 

OGH (OGH 6 Ob 11/20s):

Vom Einsichtsrecht in die Unterlagen einer GmbH sind auch Unterlagen der verbundenen Gesellschaften umfasst, sofern diese bei der GmbH vorhanden sind. Insofern handelt es sich nämlich um Unterlagen der GmbH selbst. Um den Informationsanspruch ihrer Gesellschafter zu erfüllen, muss die GmbH die erforderlichen Auskünfte und Unterlagen aus ihrem eigenen Recht als Gesellschafterin des Tochterunternehmens in dem Umfang beschaffen, in dem die Angelegenheiten eines verbundenen Unternehmens Angelegenheiten der GmbH selbst sind. Die Grenze des Informationsanspruchs der Gesellschafter findet sich dort, wo der Informationsanspruch der GmbH an den verbundenen Gesellschaften endet (siehe auch Newsletter 02/2020 „Das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters gilt nicht unbeschränkt!“).


 

4.1. Datenschutzüberprüfung von Kundenbindungsprogrammen

4.1.1. Die Datenschutzbehörde (DSB) führte amtswegige Prüfverfahren gegen zwei Verantwortliche von Kundenbindungsprogrammen durch.

 

4.1.2. Bei beiden Kundenbindungsprogrammen werden personenbezogene Daten der Kunden (= Betroffene) zum Zweck personalisierter Werbung („Profiling“) und zu weiteren Analysezwecken verarbeitet. Dazu wird die Einwilligung der Betroffenen eingeholt. Dies erfolgt über unterschiedliche Kanäle (Website, App, physischer Flyer) Die DSB prüfte ua den Ablauf der Einholung der Einwilligung.

 

4.1.3. Die Überprüfung der Einwilligungserklärung erfolgte aus Sicht eines durchschnittlichen Betroffenen, der den Anmeldeprozess mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit durchläuft und der über keine juristischen oder technischen Fähigkeiten verfügt.

 

4.1.4. Einholung über Flyer: Die Einwilligungserklärung war jeweils am Ende des Anmeldeformulars platziert mit dem Hinweis, dass es sich um eine datenschutzrechtliche Einwilligung handelt und die Abgabe der Einwilligung für die Anmeldung nicht erforderlich ist. Zur Abgabe der Einwilligung war am Ende ein Unterschriftenfeld zur Unterzeichnung durch den Kunden platziert. Die Datenschutzbehörde bemängelte, dass

  • dieser Hinweis nicht ausreichend hervorgehoben wurde und
  • ein durchschnittlicher Betroffener beim Unterschriftenfeld am Ende davon ausgehe, dass es sich um ein Unterschriftenfeld zur Anmeldung zum Kundenbindungsprogramm handle und nicht um eine datenschutzrechtliche Einwilligung.

 

4.1.5. Einholung über Website: Auch die Einholung der Einwilligung über die Webpage sei laut DSB nicht DSGVO-konform. Die DSB bemängelte, dass beim Drücken des „Einwilligungsbuttons“ vordergründig auf die Vorteile verwiesen wurde und nicht hinreichend darauf, dass es sich um eine Einwilligung zum Zweck des Profiling handelt. Unzulässig sei auch, dass bei einem Kundenbindungsprogramm der „Einwilligungsbutton“ gleichzeitig als Bestätigung zur Registrierung dient. Damit liege laut DSB keine unmissverständliche Einwilligung vor.

 

4.1.6. Einholung über App: Die Anmeldung zum Kundenbindungsprogramm über die App erfolgt „Screen-für-Screen“, wobei die Einwilligung über einen eigenen Anmeldeschritt eingeholt wird. Dieser hebt sich deutlich von der übrigen Anmeldung ab und enthält einen deutlichen Hinweis auf „Profiling“ und „Einwilligung“. Die Einholung der Einwilligung über die App qualifizierte die DSB daher als DSGVO-konform.

 

4.1.7. Da die Einwilligungen über Flyer und Website laut DSB nicht DSGVO-konform waren, sind sie unverbindlich und können nicht als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung herabgezogen werden. Ausdrücklich hielt die DSB fest, dass sich die Verantwortlichen im Nachhinein nicht auf eine Ersatzrechtsgrundlage (zB ein berechtigtes Interesse) stützen kann. Dies würde das Recht auf Widerruf konterkarieren. Die Bescheide der DSB sind nicht rechtskräftig.

 

4.1.8. Empfehlungen für Betreiber von Kundenbindungsprogrammen, die Daten verarbeiten, für die eine Einwilligung der Betroffenen erforderlich ist:

  • Einwilligungserklärungen so gestalten, dass diese eindeutig als solche für den Kunden erkennbar sind und daraus hervorgeht, für welche Zwecke (zB Profiling) die Daten verarbeitet werden.

 

  • Die Zustimmung zur Registrierung und die Einwilligung zur Datenverarbeitung müssen getrennt eingeholt werden. ZB bei „Screen-für-Screen“-Anmeldung eigenen Anmeldeschritt für die Einholung der Einwilligung vorsehen, der sich deutlich von der übrigen Anmeldung abhebt und einen deutlichen Hinweis auf den Zweck (zB Profiling) und die Einwilligung enthält.

 

4.2. Datenschutzrechtliche Auswirkungen des „Brexit“

Der „Brexit“ wurde am 01.01.2021 vollzogen. Für in der EU ansässige Unternehmer mit Bezug zum Vereinigten Königreich (UK) stellt sich die Frage, ob der Datenaustausch mit Unternehmen im Vereinigten Königreich weiterhin rechtmäßig ist.

 

4.2.1. Kurz vor dem Brexit einigten sich die EU und UK auf ein Handels- und Kooperationsübereinkommen. Dieses ist seit 01.01.2021 vorläufig in Kraft und erfordert noch die formelle Ratifizierung durch das Europäische Parlament und des EU-Rates, die jedoch bald folgen dürfte.

 

4.2.2. Durch den Austritt aus der EU ist das Vereinigte Königreich ein Drittstaat iSd DSGVO. Dh dass Datentransfers ins Vereinigte Königreich einer Grundlage gemäß Kapitel V der DSGVO bedürfen.

 

4.2.3. Primär kommt als Rechtfertigungsgrund ein Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission (Art 45 DSGVO) in Betracht. Durch diesen wird bestätigt, dass die Datenschutzbestimmungen in einem Drittland ein angemessenes Schutzniveau für die übermittelten Daten gewährleisten. Dies ist aktuell für folgende Staaten der Fall: Andorra, Argentinien, Kanada, Färöer Inseln, Guernsey, Israel, Isle of Man, Japan, Jersey, Neuseeland, Schweiz, Uruguay.

Der Angemessenheitsbeschluss für das Vereinigte Königreich ist in Arbeit. Daher wurde in das Handels- und Kooperationsübereinkommen eine Übergangregelung aufgenommen, wonach personenbezogene Daten auch ohne eine besondere Rechtfertigung übermittelt werden dürfen. Die Übergangsregelung endet am 30.04.2021, kann jedoch bis 30.06.2021 verlängert werden.

 

4.2.4. Sollte bis dahin kein Angemessenheitsbeschluss erlassen werden, müssen Datentransfers in das Vereinigte Königreich auf einen anderen Rechtfertigungsgrund gestützt werden.

 

FAZIT: Unternehmen, die auf einen Datenaustausch mit dem Vereinigten Königreich angewiesen sind, sollten die weitere Entwicklung verfolgen und vor Ablauf der Übergangsfrist alternative Rechtfertigungen vorsehen (zB Standardvertragsklauseln), falls der Angemessenheitsbeschluss nicht rechtzeitig erlassen wird.


 

EuGH (11.11.2020, C-287/19): NFC-Funktion als „anonymes“ Zahlungsinstrument und Zustimmungsfiktion in Banken-AGB

 

5.1. Sachverhalt

Eine österreichische Bank verwendet AGB, für die Verwendung von Debitkarten, die mit der NFC Funktion ausgestattet sind. Mit dieser Funktion, die bei der ersten Benutzung der Karte durch den Karteninhaber automatisch aktiviert wird, können Kleinbeträge bis zu EUR 25,00 pro Zahlungsvorgang bezahlt werden, ohne eine PIN eingeben zu müssen. Die Zahlung höherer Beträge erfordert dagegen eine Authentifizierung durch PIN.

Der VKI bekämpfte mit einer Verbandsklage eine Reihe von Klauseln in diesen Banken-AGB. Der Inhalt der relevanten Klauseln kann wie folgt zusammengefasst werden:

  • Änderungen der AGB für Zahlungskarten werden dem Karteninhaber spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorgeschlagen und die Zustimmung des Karteninhabers zu diesen Änderungen gilt als erteilt, sofern der Karteninhaber die Änderungen nicht vor diesem Zeitpunkt ausdrücklich ablehnt, wobei Verbraucher das Recht zur kostenlosen Kündigung haben; hierauf ist in dem Änderungsvorschlag, den die Bank ihm übermittelt, hinzuweisen;
  • Die Bank muss nicht nachweisen, dass Kleinbetragszahlungen, die ohne Eingabe der PIN, d. h. mittels der NFC-Funktion, vorgenommen wurden, autorisiert waren und diese Zahlungsvorgänge nicht durch ein technisches Versagen oder eine andere Störung beeinträchtigt wurden;
  • Die Bank ist von jeglicher Haftung und Erstattungspflicht in Fällen, in denen derartige Zahlungsvorgänge vom Karteninhaber nicht autorisiert wurden, befreit;
  • Der Kontoinhaber trägt das Risiko des Missbrauchs seiner Karte für Zahlungen dieser Art;
  • Bei Abhandenkommen der Bezugskarte z. B. durch Verlust oder Diebstahl ist es technisch nicht möglich, die Karte für Kleinbetragszahlungen zu sperren. Solche Zahlungen können auch nach einer Sperrung noch bis zu einem Betrag von EUR 75,00 vorgenommen werden und werden von der Bank nicht erstattet;
  • Die Regelungen für den Karten-Service gelten grundsätzlich auch für Kleinbetragszahlungen.

 

5.2. Der OGH hat zu diesen Regelungen einen Vorlageantrag an den EuGH gestellt und dem EuGH zusammengefasst mehrere Fragen gestellt:

5.2.1. Zustimmungsfiktion Banken-AGB

  • Kann eine Zustimmungsfiktion in Banken-AGB auch mit einem Verbraucher uneingeschränkt vereinbart werden?

 

5.2.2. NFC-Funktion der Debitkarte

  • Handelt es sich bei der NFC-Funktion einer Debitkarte um ein Zahlungsinstrument iSd PSD II (§ 4 Z. 14 ZaDiG 2018)?
  • Falls ja, gilt die NFC-Funktion als „anonyme Nutzung“ iSd PSD II (§ 57 (1) Z. 2 ZaDiG 2018) und sind damit die Ausnahmeregeln für Kleinbetragszahlungen anwendbar?
  • Gelten die Ausnahmeregelungen der PSD II (§ 57 (1) Z. 1 ZaDiG 2018) (darin enthalten sind Bestimmungen zur Sperre und Haftung), wenn der Zahlungsdienstleister behauptet, dass Zahlungsinstrument könne nicht gesperrt werden, obwohl dies nach dem Stand der Technik nicht nachweislich unmöglich ist?

 

5.3. Entscheidung des EuGH (11.11.2020, C-287/19)

5.3.1. Zustimmungsfiktion Banken-AGB iSd PSDII bzw. § 48 (1) Z.6 lit.a iVm § 50 ZaDiG 2018

Die Zustimmungsfunktion gilt nur für Änderungen des Rahmenvertrages, die nicht einem neuen Vertragsabschluss gleichkommen. Die Regelungen zur Zustimmungsfiktion bestimmen lediglich, welche Vertragsbedingungen und Informationen der Zahlungsdienstleister dem Karteninhaber übermitteln muss. Inhaltliche Vorgaben werden keine getroffen.

Die Regelungen der PSD II (§ 50 ZaDiG 2018) enthalten keine Beschränkungen hinsichtlich der Eigenschaft des Nutzers oder der Art der Vertragsbedingungen, auf welche die Klauseln der Zustimmungsfiktion angewandt werden können. Es wird auch nicht zwischen Verbraucher und Nicht-Verbrauchern.

 

Handelt es sich beim Karteninhaber allerdings um einen Verbraucher dürfen die Klauseln zur Zustimmungsfiktion nicht missbräuchlich sein. Die dahingehende Prüfung hat nach der Klauselkontrolle gemäß KSchG zu erfolgen.

5.3.2. NFC-Funktion der Debitkarte

NFC-Funktion = „Zahlungsinstrument“ iSd PSD II (§ 4 Z. 14 ZaDiG 2018)

Die NFC-Funktion der Debitkarte und die PIN-Zahlungsfunktion der Debitkarte sind rechtlich zu trennen. Die NFC-Funktion der Debitkarte ist isoliert betrachtet als „Zahlungsinstrument“ zu qualifizieren.

 

NFC-Funktion = „anonyme Nutzung“ iSd PSD II (§ 57 (1) Z. 1 ZaDiG 2018)

Bei der anonymen Nutzung eines Zahlungsinstruments kann iZm Kleinbetragszahlungen durch Vereinbarung davon abgewichen werden, dass

  • der Zahlungsdienstleister die Authentifizierung und Ausführung von Zahlungsvorgängen nachzuweisen hat,
  • der Zahlungsdienstleister für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge grundsätzlich haftet,
  • der Karteninhaber verpflichtet werden kann, Schäden bis höchstens EUR 50,00 zu tragen, außer, der Schaden erfolgte, nachdem Verlust der Debitkarte und Anzeige beim Zahlungsdienstleister.

Der EuGH hat festgestellt, dass es dem Zahlungsdienstleister bei Verwendung der NFC-Funktion unmöglich ist, die zahlende Person zu identifizieren oder nachzuweisen, dass der Zahlungsvorgang autorisiert war.

Außerdem sei davon auszugehen, dass der Karteninhaber, welcher sich für die leichter zu nutzende NFC-Funktion entscheidet, mit einer Haftungsbeschränkung des Zahlungsdienstleisters einverstanden ist.

Die Verwendung der NFC-Funktion ist daher als „anonyme“ Nutzung anzusehen. Die Ausnahmebestimmungen für „anonyme“ Kleinbetragszahlungen sind daher anwendbar.

 

Ausnahmeregelungen iZm der Unmöglichkeit der Sperre der Debitkarte gemäß PSD II (§ 57 (1) Z. 1 ZaDiG 2018)

Mit der Ausnahmeregelung können der Zahlungsdienstleister und der Karteninhaber von der Verpflichtung abweichen, wonach

  • die missbräuchliche Verwendung unverzüglich anzuzeigen ist,
  • die Anzeige kostenlos vorzunehmen ist und die Aufhebung der Sperre verlangt werden kann,
  • den Karteninhaber nach der so vorgenommenen Anzeige keine Haftung trifft.

Die Ausnahmeregelungen sind nur anwendbar, wenn das „Zahlungsinstrument nicht gesperrt werden oder eine weitere Nutzung nicht verhindert werden kann.“ Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Sperre immanent unmöglich sein muss.

Wenn sich der Zahlungsdienstleister daher auf die Unmöglichkeit der Sperre beruft, trägt er hierfür die Beweislast. Erbringt er den Beweis nicht, kann die Ausnahmeregelung nicht zu seinem Vorteil angewandt werden.


 

Bereits in unserem COVID-Sonder-Newsletter IV haben wir die mietrechtlichen Folgen einer gesetzlich bedingten Schließung von Geschäftsräumlichkeiten behandelt (Hier der Link).

Aktuell gibt es dazu erste Rechtsprechung eines Erstgerichtes. Diese ist – soweit ersichtlich – noch nicht rechtskräftig.

Das Erstgericht hatte in zwei Fällen über einen Mietzinserlass gemäß § 1104 ABGB aufgrund des Lockdowns im Frühjahr 2020 zu entscheiden:

  • Im ersten Fall ging es um einen Friseur, der seinen Friseursalon aufgrund des Lockdowns schließen musste.
  • Im zweiten Fall ging es um eine Filiale einer Textilhandelskette, die ebenfalls aufgrund des Lockdowns geschlossen war.

In beiden Fällen entschied das Gericht zugunsten der Mieter. Diese sind laut Urteil von der Zahlung des Mietzinses und den Betriebskosten während des Lockdowns befreit. Auch die Tatsache, dass die Geschäftsräume teilweise zum Lagern der Ware dienen, ändere daran nichts. Laut Gericht sei das Lagern ausschließlich Ausfluss der eigentlichen Geschäftstätigkeit, die ruhen musste. Daher lag gänzliche Unbrauchbarkeit der Mietgegenstände im Zeitraum des Lockdowns vor.

Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsmittelgerichte diesen Entscheidungen folgen oder eine teilweise Brauchbarkeit und damit eine Pflicht zur teilweisen Zahlung des Mietzinses bejahen. Soweit ersichtlich war in beiden Verfahren nicht streitgegenständlich, ob sich die Mieter allfällige staatliche Förderungen auf die Miete anrechnen lassen müssen. Auch mögliche Alternativumsätze (zB durch Onlinehandel) blieben unberücksichtigt, da keine Onlineshops von den Mietern betrieben wurden.