Kein Rücktritt von Zeitausgleichsvereinbarung bei Erkankung (OGH 29.04.2025, 9 ObA 17/25b)

Erstellt von Mag. Sylvia Unger |
Arbeitsrecht
  1. Sachverhalt

    Zwischen Arbeitgeber (AG, Beklagter) und Arbeitnehmern (AN) besteht Uneinigkeit über die Frage, ob AN von bereits vereinbarten Zeitausgleichsphasen einseitig zurücktreten können, wenn sie in dieser Zeit krank werden. Der Zeitausgleich sollte nicht nur zum Abbau von Plusstunden dienen, sondern auch zur Erholung nach besonders belastender Arbeit – etwa Nachtarbeit oder Überstunden. Nach Ansicht des Betriebsrats hatten AN das Recht, bei Erkrankung von Zeitausgleichsvereinbarungen zurückzutreten. Laut AG führte die Vereinbarung von Zeitausgleich lediglich zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit und diente nicht primär der Erholung der AN, sodass kein Rücktrittsrecht der AN bestehe. Der Betriebsrat zog schließlich vor Gericht. 

  2. Rechtsansicht des OGH 

    Der OGH wies die Klage des Betriebsrats ab. Ein Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung wegen Krankheit ist nicht zulässig– auch dann, wenn der Zeitausgleich der Erholung infolge von Mehrbelastungen bei der Arbeit dienen soll. 

    AG und AN sind nach der stRsp des OGH grundsätzlich an bereits getroffene Zeitausgleichsvereinbarungen gebunden. Davon darf einseitig nur abgewichen werden, wenn betriebliche Umstände das Festhalten an der Vereinbarung unzumutbar machen. Der Umstand, dass der Zeitausgleich in erster Linie dazu genutzt werden soll, um sich von besonders anstrengenden Phasen der Arbeit (Überstunden, Nachtarbeit) erholen zu können, gilt nicht als unzumutbarer betrieblicher Umstand. Eine Zeitausgleichsvereinbarung ist im rechtlichen Sinn keine bezahlte Auszeit, sondern lediglich eine andere Verteilung der Arbeitszeit. Während der Zeit des Zeitausgleichs besteht keine Arbeitspflicht. Daher gilt eine Krankheit in dieser Phase auch nicht als Arbeitsverhinderung.

  3. Fazit 

    Der einseitige Rücktritt eines AN von einer Zeitausgleichsvereinbarung wegen einer Erkrankung ist unzulässig. Das gilt auch, wenn der Zeitausgleich der Erholung des AN nach belastender Arbeit dienen soll. Primärer Zweck bei Zeitausgleich ist nicht die Erholung, sondern eine weitgehende Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit.