Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und auch der Oberste Gerichtshof (OGH) beurteilen aus unternehmerischer Sicht – Klauseln in AGB bei B2C-Geschäften besonders streng. Ist eine Klausel rechtsunwirksam, kann es dem Unternehmer passieren, dass sich dieser nicht einmal mehr subsidiär auf gesetzliche (dispositive) Schadenersatzansprüche gegenüber Verbrauchern stützen kann. So gibt es für Unternehmer keinen Schadenersatzanspruch gegenüber Verbrauchern, wenn er in seinen AGB eine ungültige Schadenersatzklausel verwendet (EuGH in der Rs „Gupfinger“). Was das im Ergebnis für Unternehmer bedeutet, lesen Sie nachstehend. Wir haben dazu drei wesentliche Entscheidungen für Sie zusammengefasst:


1. Kein Schadenersatzanspruch des Unternehmers nach allgemeinem Zivilrecht bei ungültiger AGB-Klausel (OGH 4 Ob 236/22t)

1.1. Sachverhalt und AGB-Klausel

Ein Verbraucher besuchte eine Messe, bei der ein Unternehmer Einbauküchen ausstellte. Er wollte für sein zukünftiges Haus eine Einbauküche erwerben. Unternehmer und Verbraucher schlossen einen Kaufvertrag ab, wobei dem Vertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmers zugrunde gelegt wurden. Die AGB enthielten ua folgende Klausel:

„Tritt der Kunde – ohne dazu berechtigt zu sein – vom Vertrag zurück oder begehrt er seine Aufhebung, so haben wir die Wahl, auf die Erfüllung des Vertrags zu bestehen oder der Aufhebung des Vertrags zuzustimmen; im letzteren Fall ist der Kunde verpflichtet, nach unserer Wahl einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe von 20% des Bruttorechnungsbetrags oder den tatsächlich entstandenen Schaden zu bezahlen.“

In weiterer Folge übernahm der Verbraucher das Haus nicht und trat vom Kaufvertrag über die Einbauküche zurück. Der Unternehmer lehnte den Rücktritt des Verbrauchers ab und klagte den Verbraucher auf Schadenersatz in der Höhe des Kaufpreises abzüglich dessen, was er sich infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart hatte. Der Unternehmer stützte sich im Verfahren nicht auf die AGB-Klausel, sondern auf allgemeines Schadenersatzrecht.


1.2. Rechtsansicht des OGH

Laut OGH ist eine Klausel in AGB, die eine pauschale Stornogebühr von 20% des Kaufpreises bei unbegründetem Vertragsrücktritt durch den Käufer festlegt, für den Verbraucher insbesondere wegen der unangemessenen Höhe der Stornogebühr gem § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend. Daher ist die Klausel nichtig.

Der OGH orientierte sich an der EuGH-Rechtsprechung: Der EuGH (EuGH C-625/21) entschied zuvor im Fall Gupfinger, dass ein nationales Gericht eine nichtige Klausel nicht durch eine dispositive nationale Rechtsvorschrift (zB allgemeines Schadenersatzrecht) ersetzen darf, außer die Streichung der Klausel würde den gesamten Vertrag unwirksam machen und würde den Verbraucher schädigen. Ein Unternehmer hat keinen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Verbraucher, wenn er in seinen AGB eine ungültige Schadenersatzklausel verwendet; dies auch nicht, wenn ihm nach sonstigem anwendbaren dispositiven Schadenersatzrecht ohne die ungültige Klausel eine Entschädigung zustehen würde.

Eine solche nichtige AGB-Klausel ist zudem zur Gänze nichtig. Dies soll laut EuGH Unternehmer abschrecken, missbräuchliche Klauseln zu verwenden.


1.3. Fazit

Der Unternehmer kann sich daher nicht auf allgemeines Schadenersatzrecht stützen, wenn sich eine ungültige Schadenersatzklausel in seinen AGB findet und der Vertrag ohne die Klausel aufrecht bleiben kann.

Daher ist es empfehlenswert, solche Klauseln für B2C-Geschäfte nicht in AGB aufzunehmen, sodass wenigstens die allgemeinen Schadenersatzregelungen bei unberechtigtem Rücktritt des Verbrauchers (§ 921 ABGB) anwendbar sind.


Auch diese Entscheidung zog der OGH für sein aktuelles Urteil heran.

2.1. Sachverhalt und AGB-Klausel

Beim Besuch einer Messe schloss ein Verbraucher mit einem ausstellenden Unternehmer einen Kaufvertrag über eine Einbauküche ab. Die im Vertrag enthaltenen AGB enthielten ua folgende Klausel:

„Tritt der Kunde – ohne dazu berechtigt zu sein – vom Vertrag zurück oder begehrt er seine Aufhebung, so haben wir die Wahl, auf die Erfüllung des Vertrags zu bestehen oder der Aufhebung des Vertrags zuzustimmen; im letzteren Fall ist der Kunde verpflichtet, nach unserer Wahl einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe von 20% des Bruttorechnungsbetrags oder den tatsächlich entstandenen Schaden zu bezahlen.“

In weiterer Folge trat der Verbraucher vom Kaufvertrag zurück und entrichtete die Stornogebühr. Der Kläger, ein Konsumentenschutzverein iSd § 29 Abs 1 KSchG, verlangte vom Verkäufer die Rückerstattung der Stornogebühr, da die Klausel für den Verbraucher jedenfalls gröblich benachteiligend sei. Darüber hinaus läge ein außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag gem § 3 Z 1 lit a FAGG vor, wonach dem Konsumenten ein Rücktrittsrecht gem § 11 Abs 1 FAGG zustehe und der Rücktritt damit nicht unberechtigt sei.


2.2. Rechtsansicht der Vorinstanzen und des OGH

Die Gerichte I. und II. Instanz qualifizierten den Messestand als Geschäftsraum. Damit sei ein Rücktritt nach dem FAGG ausgeschlossen. Das Erstgericht stellte weiters fest, dass die Stornogebühr erfahrungsgemäß üblich und die Höhe der Gebühr auch nicht gröblich benachteiligend und gültig sei. Das Berufungsgericht bestätigte ebenfalls die Gültigkeit der Stornoklausel, da nach der Zweifelsregel des § 915 ABGB die Regelung so auszulegen sei, dass dem Verbraucher die geringere Leistungsverpflichtung aufzuerlegen sei und kein freies Wahlrecht des Verkäufers bestehe. Da der konkrete Schaden jedoch geringer war als der geleistete Betrag, sprach das Gericht dem Käufer einen Teilbetrag zu.

Der OGH prüfte zunächst, ob dem Verbraucher ein Rücktrittsrecht nach dem FAGG zustehe und ob ein Geschäft außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten vorgelegen habe. Aufgrund der richtlinienkonformen Interpretation des im FAGG genannten Begriffs der Geschäftsräumlichkeiten schloss der OGH, dass bei Auswärtsgeschäften insbesondere der Schutz vor überraschenden Vertragsabschlüssen im Vordergrund steht, bei welchen der Verbraucher in einer anderen psychischen Situation oder großen Druck steht. Da der Verbraucher auf einer Messe mit dem Auftreten eines Unternehmers rechnen musste, verneinte der OGH die Anwendbarkeit des FAGG, da kein Geschäft außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten vorlag.

Der OGH nahm in weiterer Folge eine Geltungskontrolle gem § 864a ABGB der Klausel vor, welche er als unproblematisch ansah – die Klausel war an der systematisch richtigen Stelle angeführt worden. Zur Inhaltskontrolle gem § 879 Abs 3 ABGB führte der OGH aus, dass eine in den AGB enthaltene Klausel, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände einen Teil gröblich benachteiligt. Berücksichtigt werden hierbei die objektive Äquivalenzstörung und die verdünnte Willensfreiheit

Der OGH hatte bereits in seiner früheren Entscheidung (OGH 4 Ob 229/13z, siehe Punkt 3.) eine Klausel, die eine pauschale Stornogebühr von 20% des Kaufpreises bei unbegründetem Vertragsrücktritt durch den Käufer festlegt, als gröblich benachteiligt und daher nichtig beurteilt. Da im vorliegenden Fall dem Unternehmer (Verkäufer) nur ein deutlich unter den 20% des Kaufpreises liegender Schaden entstanden war, lag auch hier eine gröbliche Benachteiligung vor. Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH kam eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel nicht infrage, weshalb die Stornoklausel ersatzlos entfiel.


2.3. Fazit

Stornoklauseln, welche für den Fall eines ungerechtfertigten Rücktritts des Verbrauchers eine pauschalierte Vertragsstrafe („Stornogebühr“) festlegen, sind sittenwidrig und damit nichtig, wenn der pauschalierte Betrag in keinem Verhältnis zu den dem Unternehmer tatsächlich entstanden Schäden steht. Eine solche Klausel entfällt zur Gänze, sodass eine Stornogebühr auch bei ungerechtfertigtem Rücktritt des Verbrauchers von diesem nicht gültig gefordert werden kann.


Diese Entscheidung war ua ebenfalls Grundlage für die oben dargestellten Entscheidungen des OGH.

3.1. Sachverhalt

Es kam ein Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer (Unternehmer) und dem Käufer (Verbraucher) über ein KFZ zustande, welchem die AGB des Unternehmers zugrunde gelegt wurden. Die AGB enthielten ua folgende Klausel:

„Bei Nichterfüllung des Vertrages durch den Käufer und hieraus begründetem Rücktritt des Verkäufers sowie bei unbegründetem Rücktritt durch den Käufer ist der Verkäufer berechtigt, 20% des Kaufpreises als Stornogebühr zu beziehen.“

Da der Käufer eine erhoffte Leasing-Zusage nicht erhielt, trat er vom Vertrag zurück, woraufhin der Verkäufer eine Stornogebühr iHv 20% vom Käufer verlangte. Der Käufer setzte dem entgegen, dass der Vertragsabschluss unter Vorbehalt einer Leasing-Zusage abgeschlossen worden sei und der Rücktritt damit nicht unbegründet war. Darüber hinaus sei die Klausel sittenwidrig und ihm gegenüber unwirksam.


3.2. Rechtsansicht der Vorinstanzen und des OGH

Die Gerichte I. und II. Instanz beurteilten die Klausel gem § 879 Abs 3 ABGB als sittenwidrig und somit als nichtig, da diese den Käufer (als Verbraucher) unter Beachtung aller Umstände gröblich benachteiligen und ein auffallendes Missverhältnis zwischen den Rechtspositionen der Parteien erzeugt. Die Stornogebühr iHv 20% des Kaufpreises sei unverhältnismäßig.

Der OGH schloss sich dem an. Laut Art 6 Abs 1 der EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (RL 93/13/EWG) und damit verbundener EuGH-Judikatur (EuGH C-618/10, Rs Banesto) haben nationale Gerichte eine missbräuchliche Vertragsbestimmung für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht bindet – sie dürfen aber keine Inhaltsänderungen vornehmen. Der OGH verneinte daher im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung des § 879 Abs 3 ABGB auch eine geltungserhaltende Reduktion. Daher war die Klausel gänzlich nicht anzuwenden. Der Käufer (Verbraucher) musste die Stornogebühr nicht zahlen.


3.3. Fazit

Eine in AGB enthaltene Klausel, welche einen Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände gröblich benachteiligt, dh wenn die Rechtspositionen der Parteien in einem auffallenden Missverhältnis zueinanderstehen, ist sittenwidrig und somit nichtig. Eine Stornogebühr von 20% des Kaufpreises ist unverhältnismäßig. Eine solche Klausel kann auch nicht geltungserhaltend reduziert werden. Dh, die gesamte Klausel ist für den Verbraucher nicht anwendbar. Damit darf vom Verbraucher keine Stornogebühr iHv 20% verlangt werden.