Newsletter 01/2020 - Unger Rechtsanwälte

 

1.1. Arbeitsrecht: Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit

Seit 01.01.2020 besteht ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit für die Dauer von bis zu 4 Wochen (BGBl I 93/2019). Im Detail siehe weiter unten.

 

1.2. Neue Anforderungen für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen

Mit 12.07.2020 tritt die Verordnung (EU) 2019/1150 vom 20.06.2019 zur Forderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-VO) in Kraft. Diese soll die Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten fördern. Die Verordnung gilt auch für Online-Suchmaschinen (zB Google Search, Seznahm.cz, Yahoo!, DuckDuckGo, Bing).

Online-Vermittlungsdienste ermöglichen es gewerblichen Nutzern, Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen diesen gewerblichen Nutzern und Verbrauchern vermitteln. Hierzu gehören, zB

  • Online-Marktplätze (zB Amazon, eBay, Fnac Marketplace),
  • App-Stores (zB Google Play, Apple App Store, Microsoft Store) und
  • Online-Dienste sozialer Medien für Unternehmen (wie Facebook Pages, Instagram, das von Produzenten/Künstlern etc genutzt wird).

Der Fokus liegt auf klar und verständlich formulierte sowie leicht zugängliche Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Online-Vermittlungsdienste. Es werden umfangreiche inhaltliche Anforderungen an AGB dieser Dienste gestellt, zB allgemeine Informationen zu den Auswirkungen der AGB auf die Inhaberschaft und die Kontrolle von Rechten des geistigen Eigentums gewerblicher Nutzer.

Weiters sind Plattform-Anbieter verpflichtet, ein internes Beschwerdesystem für gewerbliche Nutzer einzurichten.

Online-Suchmaschinen müssen künftig Hauptparameter, die für die Festlegung des Rankings am wichtigsten sind, und die relative Gewichtung dieser Hauptparameter durch klar und verständlich formulierte Erläuterungen darlegen. 

Über die umfangreichen Änderungen werden wir noch ausführlich in einem der nächsten Newsletter informieren!

 

1.3. Besserer Schutz für Opfer von Gewalt

Seit 01.01.2020 ist das neue Gewaltschutzgesetz 2019 in Kraft. Ziel der Arbeiten der Kommission Opferschutz und Täterarbeit war es insbesondere, die Gewaltprävention zu stärken. Ua wurde der Opferschutz bei der Verjährung von Schadenersatzansprüchen verstärkt, das Betretungsverbot um ein Annäherungsverbot erweitert und eine Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten vorgenommen. Im Detail siehe weiter unten.

 

1.4. Neuerungen für Geldwäscheprüfungen und Meldepflichten für wirtschaftliche Eigentümer

Durch das EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 (EU-FinAnpG 2019) werden mehrere Gesetze geändert, ua die Sorgfalts- und Überprüfungspflichten gegen Geldwäsche im Finanzmarkt-Geldwäschegesetzes (FM-GwG) sowie die Meldepflichten und Einsichtsrechte in das Register nach dem Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetzes (WiEReG). Im Detail siehe weiter unten.

 

1.5. Überweisungs-VO – Sanktionen sollen im Zahlungsdienstegesetz 2018 (ZaDiG 2018) umgesetzt werden

Die europäische Verordnung (EU) 2019/518 zu Entgelten für grenzüberschreitende Zahlungen in der EU und Entgelte für Währungsumrechnungen (Überweisungs-VO) ändert und ergänzt die bestehende Überweisungs-VO (EG) Nr. 924/2009. Sie führt Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters für Währungsumrechnungsentgelte

  • an Geldausgabeautomaten oder Verkaufsstellen („Point of Sale“) und
  • bei Online-Überweisungen oder bei Überweisungen über eine mobile Banking-App

ein.

Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, für Verstöße gegen die Überweisungs-VO Sanktionen im nationalen Recht zu implementieren. Der österreichische Gesetzgeber plant nun Verwaltungsstrafen iHv bis zu € 10.000,00 für Verstöße gegen die Überweisungs-VO im ZaDiG 2018 umzusetzen. Die Gesetzwerdung bleibt abzuwarten.


 

Bisher konnten Pflegekarenz und Pflegeteilzeit für den Zeitraum von 1-3 Monaten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden („vereinbarten Pflegeteilzeit und Pflegekarenz“). Diese Möglichkeit besteht weiterhin.

Seit 01.01.2020 besteht auch ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit (BGBl I 93/2019). Demnach hat ein Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit für die Dauer von bis zu 2 Wochen, wenn

  • zum Zeitpunkt des Antritts der Pflegekarenz oder der Pflegeteilzeit im Betrieb mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind;
  • das Arbeitsverhältnis ununterbrochen 3 Monate andauerte;
  • die Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit zum Zwecke der Pflege oder Betreuung eines/einer nahen Angehörigen notwendig ist;
  • dem/der Angehörigen zum Zeitpunkt des Antritts ein Pflegegeld ab der Stufe 3 gebührt (Ausnahme für demenziell erkrankte und minderjährige nahe Angehörige);

 

  • keine „unzulässigen Zeiten“ (Beschäftigungsverbot nach dem MSchG, Karenz nach dem MSchG oder VKG, Präsenzdienst oder Zivildienst) vorliegen.

Kommt es in diesen (bis zu) 2 Wochen zu keiner vereinbarten Pflegeteilzeit und Pflegekarenz, hat der Arbeitnehmer erneut einen Rechtsanspruchfür die Dauer von bis zu weiteren 2 Wochen. Insgesamt kann sich daher ein Rechtsanspruch für die Dauer von bis zu 4 Wochen ergeben.

 


 

Folgende Änderungen des FM-GwG sind seit 10.01.2020 in Kraft:

1. Die Feststellung der Identität des Kunden und dessen Identitätsüberprüfung kann auch durch elektronische Identifizierungsmittel (zB E-Signatur) erfolgen.

2. Zu Beginn einer neuen Geschäftsbeziehung mit einem Rechtsträger (zB GmbH, AG) ist ein Auszug aus dem Wirtschaftliche Eigentümer-Register einzuholen.

3. Gelten verstärkte Sorgfaltspflichten, sind – soweit im angemessenen Rahmen möglich – Hintergrund und Zweck aller Transaktionen zu untersuchen, wenn:

  • es sich um komplexe Transaktionen handelt;
  • die Transaktionen ungewöhnlich groß sind;
  • die Transaktionen einem ungewöhnlichen Transaktionsmuster folgen;
  • die Transaktionen keinen offensichtlichen wirtschaftlichen oder rechtmäßigen Zweck haben.

 

4. Die Sorgfaltspflichten bei Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit Bezug zu Drittländern mit hohem Risiko werden verstärkt (verstärkte Einholung von Informationen, Zustimmungen, Überprüfungen und Überwachungen).

5. Die Aufbewahrungsfrist für die Unterlagen wird von 5 auf 10 Jahre erhöht (gerechnet ab Beendigung der Geschäftsbeziehung oder ab Durchführung der gelegentlichen Transaktion).


 

4.3. Öffentliche Einsicht (§ 10 WiEReG)

Bisher konnten nur bestimmte, berechtigte Personen und Behörden Einsicht in das WiE-Reg nehmen. Seit 10.01.2020 kann jeder über die Homepage des BMF gegen eine Gebühr Einsicht nehmen. Ein Auszug aus dem WiE-Reg beinhaltet Daten zum Rechtsträger und Daten zum wirtschaftlichen Eigentümer (Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Wohnsitzland, wirtschaftliches Interesse).

 

4.4. Überprüfungen durch die Registerbehörde und Strafen (§ 14 und 15 WiEReG)

Die Registerbehörde überprüft die gemeldeten Daten stichprobenhaft anhand von Daten aus anderen öffentlichen Registern (zB ZMR, Firmenbuch, Vereinsregister).

Zudem sind die Strafbestimmungen detaillierter. Je nach Verstoß sind Geldstrafen bis zu € 200.000,00 (bei Vorsatz) oder € 100.000,00 (bei grober Fahrlässigkeit) vorgesehen.

 

b) Wer ist geschützt?

Vom Hinweisgeberschutz umfasst sind:

  • Arbeitnehmer, Beamte, Volontäre, Praktikanten
  • Selbstständige
  • Anteilseigner oder Personen mit Organfunktion in einem Unternehmen (zB Aufsichtsratsmitglied)
  • Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Subauftragnehmern oder Lieferanten arbeiten

Geschützt sind auch solche Personen, deren Arbeitsverhältnis noch nicht begonnen hat (Einstellungsverfahren) oder mittlerweile beendet ist.

 

c) Welche Verpflichtungen ergeben sich für Unternehmen?

Folgende Unternehmen sind verpflichtet, interne, sichere und vertrauliche Kanäle und Verfahren für die Meldungen einzurichten:

  • Unternehmen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern
  • Unternehmen im Finanzsektor und Unternehmen, die bestimmten unionsrechtlichen Vorgaben aus den Bereichen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Verkehrssicherheit und Umweltschutz unterliegen
  • Juristische Personen im öffentlichen Sektor

Interne Meldekanäle können zB ein „Melde-/Beschwerde“-Briefkasten, ein internes, gesichertes E-Mail-Melde-System oder eine Melde-Telefonhotline sein.

Binnen 7 Tagen nach Eingang der Meldung ist dem Hinweisgeber eine Eingangsbestätigung zu übermitteln. Es ist eine zuständige, unparteiische Person oder Abteilung anzugeben. Binnen 3 Monaten ist eine Rückmeldung zu geben und die Meldung weiterzuverfolgen (Folgemaßnahmen). Zudem ist über die Möglichkeit einer externen Meldung zu informieren.

 

Die Identität des Hinweisgebers (und allenfalls erwähnter Dritter) ist vertraulich zu behandeln. Sie darf ohne dessen Zustimmung nicht offengelegt werden. Davon ausgenommen sind behördliche Ermittlungen oder Gerichtsverfahren.

 

d) Whistleblowing und Datenschutz

Zu beachten ist, dass auch datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt werden (Verarbeitung personenbezogener Daten). Die Verarbeitung der Daten wird unter dem Rechtfertigungsgrund der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, nämlich der Umsetzung der rechtlichen Vorgaben der Whistleblower-Richtlinie im Unternehmen, gerechtfertigt sein (Art 6 Abs 1 lit c DSGVO).

 

e) Umsetzungsschwierigkeit aus arbeitsrechtlicher Sicht

Die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie könnte insbesondere für österreichische Unternehmen mit Betriebsrat schwierig werden. Denn gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, so ist mit diesem eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, wenn Kontrollsysteme eingeführt werden sollen, die die Menschenwürde berühren können. Whistleblower-Systeme bzw. Hinweisgebersysteme können die Menschenwürde berühren. Stimmt der Betriebsrat nicht zu oder kündigt die Betriebsvereinbarung auf, darf das Kontrollsystem oder die durch die Whistleblower-Richtlinie angedachten Maßnahmen im Unternehmen nicht eingeführt oder nicht mehr verwendet werden.

Es bleibt abzuwarten, wie der österreichische Gesetzgeber die Richtlinie umsetzen wird.


 

5.1. Befristete Dienstverhältnisse – kein Kündigungsschutz, wenn Arbeitnehmerin Schwangerschaft nicht rechtzeitig meldet (OGH 17.12.2019, 9 ObA 133/19b)

  • Eine Arbeitnehmerin muss ihre Schwangerschaft vor Ablauf der Befristung melden. Verpasst sie diese Frist, so hat sie keinen Kündigungsschutz. Das Dienstverhältnis ist mit Ablauf der Befristung beendet.
  • Es gibt keine Nachfrist von 5 Tagen (wie bei unbefristeten Dienstverhältnissen).
  • Ausnahme: Ein Kündigungsschutz besteht, wenn die Arbeitnehmerin noch nichts von einer bereits bestehenden Schwangerschaft wusste. In diesem Fall kann sie dem Arbeitgeber bei Kenntnis der Schwangerschaft auch nachträglich mitteilen, dass sie bereits vor Ablauf der Befristung schwanger war, aber nachweislich davon nichts wusste.

 

5.2. Einstellung von Arbeitnehmern 50+: Alter muss bei Kündigung berücksichtigt werden (OGH 30.10.2019, 9 ObA 86/19s)

  • Arbeitnehmer können nach einer Betriebsangehörigkeit von mehr als 6 Monaten eine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit bei Gericht anfechten (§ 105 ArbVG).
  • Bei älteren Arbeitnehmer sind bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit die Beschäftigungsdauer und die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung aufgrund des hohen Alters BESONDERS zu berücksichtigen.
  • Dies gilt nicht für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr bereits vollendet hatten.

Dazu stellt der OGH nun klar: Auch für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung bereits 50+ waren, darf das Lebensalter nicht ausgeblendet werden. Die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung aufgrund des Alters sind zwar nicht in „besonderem“ Ausmaß, aber in „normalen“ Umfang zu berücksichtigen. Damit hat der OGH diese Ausnahme, die auch dazu dienen sollte, das ältere Arbeitnehmer leichter einen Arbeitsplatz finden, wieder relativiert. Ob dies älteren Arbeitnehmern hilft, kann bezweifelt werden.

 

5.3. Schulungen und Betriebsanweisungen reichen nicht für ein wirksames Kontrollsystem iSd Arbeitnehmerschutzes (VwGH 27.11.2019, Ra 2019/02/0164)

Ein Arbeitgeber haftet für ein wirksames Kontrollsystem zur Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften. Aus diesem muss die konkrete Umsetzung der Arbeitsvorgänge und der Arbeitssicherheit bei den einzelnen Arbeitsschritten entnommen werden können. An dieser Verpflichtung ändern auch eingewiesene, laufend geschulte und ordnungsgemäß ausgerüstete Arbeitnehmer nichts, so der VwGH.

 

1. Folgende Nachweise müssen für ein wirksames Kontrollsystem erbracht werden:

  • die einzelnen Maßnahmen, die der unmittelbar Übergeordnete ergreifen muss, um die Befolgung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften durch die Arbeitnehmer durchzusetzen.

 

  • die vorgesehenen Maßnahmen des Arbeitgebers, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten.
  • Maßnahmen zur Sicherstellung, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete Stelle gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

 

2. Wann liegt ein wirksames Kontrollsystem vor?

  • Ein wirksames Kontrollsystem liegt vor, wenn dadurch die Überwachung der Einhaltung von Rechtsnormen jederzeit sichergestellt werden kann.
  • Schulungen und Betriebsanweisungen können ein Kontrollsystem zwar unterstützen, es aber nicht ersetzen.
  • Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen nicht aus, um die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen.
  • Aus einem wirksamen Kontrollsystem muss die konkrete Umsetzung der Arbeitsvorgänge und der Arbeitssicherheit bei den einzelnen Arbeitsschritten entnommen werden können.

 

3. Haftung des Arbeitgebers auch bei erheblicher Schuld des Arbeitnehmers?

  • Auch krasses Fehlverhalten eines Arbeitnehmers, das zum Arbeitsunfall geführt hat, kann am Verschulden des Arbeitgebers – bei nicht erfolgter Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems – nichts ändern.
  • Gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern muss ein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet sein.
  • Ein Arbeitgeber kann nicht völlig darauf vertrauen, dass eingewiesene, laufend geschulte und ordnungsgemäß ausgerüstete Arbeitnehmer jedenfalls die Rechtsvorschriften befolgen. Ein wirksames Kontrollsystem muss bestehen.

 

Fazit:

Auch beim Unfall eines eigenmächtig handelnden Arbeitnehmers trifft den Arbeitgeber die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung, wenn er nicht dafür gesorgt hat, dass Arbeitsvorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird („wirksames Kontrollsystem“).

Arbeitgeber müssen belegen können, welche konkreten Maßnahmen für Arbeitsvorgänge vorgesehen sind, um die Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu erfüllen. Als Arbeitgeber sollten Sie daher „jeden Schritt“ dokumentieren.


 

Seit 01.01.2020 ist das neue Gewaltschutzgesetz 2019 in Kraft. Hier ein kurzer Überblick über einige wichtige Neuerungen:

 

Verstärkter Opferschutz bei der Verjährung von Schadenersatzansprüchen

Schadenersatzansprüche aus qualifizierten strafbaren Handlungen verjähren binnen 30 Jahren. Die Frist beginnt frühestens, wenn das Opfer 18 Jahre ist.

 

Neuerungen bei einstweiligen Verfügungen zum Gewaltschutz

Zum Schutz vor Gewalt besteht die Möglichkeit, einstweilige Verfügungen (eV) anzuordnen, nämlich zum

  • Schutz vor Gewalt in Wohnungen,
  • allgemeinen Gewaltschutz und
  • Schutz vor Stalking.

Nunmehr kann die Dauer dieser eV bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptverfahrens verlängert werden. Hauptverfahren sind zB Scheidungsverfahren, Aufteilungsverfahren des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse oder Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung von Wohnungen.

Bei eVs zum allgemeinen Gewaltschutz kann ein Annäherungsverbot angeordnet werden. Bei eVs zum Schutz vor Stalking kann neben einem Annäherungsverbot auch zusätzlich das Verbot, Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches oder der Privatsphäre wahrnehmbar zu machen oder zu halten (zB im Internet), angeordnet werden.

 

Annäherungsverbot

Zusätzlich zum Betretungsverbot gibt es ein Annäherungsverbot im Umkreis von 100m; dies ohne Bindung an eine sonstige örtliche Komponente oder an das Alter der gefährdeten Person.

Der Gefährder kann örtliche oder zeitliche Ausnahmen vom Annäherungsverbot beantragen (zB Krankenhaus, Arbeitsstätte). Zudem kann er sich aus dringenden Gründen der gefährdeten Person mit einer Person des öffentlichen Sicherheitsdienstes nähern.

 

Strafverschärfungen bei Gewalt- und Sexualdelikten

Es gibt Strafverschärfungen bei besonderer Gewalt, für Rückfallstäter und für Stalker. Die Mindeststrafe für Vergewaltigung wurde angehoben. Zudem wurde ein „lebenslanges“ Tätigkeitsverbot mit Kindern und wehrlosen Personen für wegen bestimmter Delikte verurteilte Personen eingeführt (bisher war es zeitlich beschränkt).


 

Der OGH hatte über eine Videoüberwachung eines Nachbargrundstückes zu entscheiden. Die beiden streitenden Nachbarn bewohnen jeweils eine Eigentumswohnung im Erdgeschoß. Die Gärten der Wohnungen grenzten ebenfalls aneinander. Vor den Gärten führt ein im Eigentum der Allgemeinheit stehender Zugangsweg zu den beiden Wohnungen.

Nachbar A montierte an der Außenfassade seiner Wohnung eine um 360 Grad schwenkbare Kamera. Die Kamera hat einen optischen Zoom, speichert Aufnahmen auf eine Speicherkarte, ist auch in der Nacht mittels Infrarot funktionsfähig und wird ab entsprechenden Lichtverhältnissen in der Nacht automatisch aktiviert. Neben dem eigenen Garten des Nachbarn A umfasste der Schwenkbereich der Kamera auch den allgemeinen Zugangsweg und kann damit in einem kleinen Bereich des Nachbargrundstücks auch der Kopf einer am Grundstück des Nachbarn B befindlichen Person gefilmt werden.

Nachbar B begehrte die Entfernung der Überwachungskamera und die zukünftige Unterlassung einer Montage einer Kamera, mit der Teile seines Grundstückes und Teile der im Allgemeineigentum stehenden Flächen überwacht werden können.  

Der OGH gab dem Klagebegehren des Nachbarn B mit folgender Begründung statt:

  • Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung sind die Datenschutzgrundverordnung (DSGV) und das Datenschutzgesetz (DSG) maßgeblich.

 

  • Als Rechtfertigungsgrund der Videoüberwachung kann ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Nachbarn A in Betracht kommen. Das Interesse des Nachbarn A auf Schutz seines Eigentums muss aber das Interesse des Nachbarn B auf Schutz seiner Daten überwiegen.
  • Laut OGH sind die Überwachungsmaßnahmen des Nachbarn A überschießend. Durch die Videoüberwachung kann er jederzeit feststellen, wann Nachbar B seinen eigenen Garten betritt. Nachbar A hat kein berechtigtes Interesse an Informationen, wann und wie oft Nachbar B seinen eigenen Garten nutzt. Die Videoüberwachung ist daher unzulässig.

 

Fazit: Bei der Montage einer Videokamera zur Überwachung der eigenen vier Wände sollte darauf geachtet werden, dass der Aufnahmebereich nicht auch Bereiche Dritter (zB Nachbargrundstück, Eingangstür des Nachbarn) erfasst.