Strafrechtliche Risiken eines Geschäftsführers

Erstellt von Mag Sylvia Unger |
Corporate Law , Gesellschaftsrecht

Das Handeln eines Geschäftsführers (kurz: GF) kann nicht nur zivilrechtliche Haftungen auslösen, sondern unter Umständen auch eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen. Viele Gesetzesverstöße, die noch vor einigen Jahren als Kavaliersdelikte angesehen wurden, werden durch die geänderte öffentliche Wahrnehmung und zahlreicher Gesetzesnovellen (zB die Einführung der Bilanzdelikte im StGB) heute strafrechtlich verfolgt und auch zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genützt.

Strafrechtlich relevanten Vorschriften sind insbesondere:
• § 122 StGB: Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses 
• § 133 StGB: Veruntreuung
• § 146 ff StGB: Betrug
• § 153 StGB iVm § 25 Abs 1a GmbHG bzw § 84 Abs 1a AktG: Untreue
• § 153a StGB: Geschenkannahme durch Machthaber
• § 156 StGB: Betrügerische Krida
• § 158 StGB: Begünstigung eines Gläubigers
• § 159 StGB: Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen
• § 163a StGB: Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände

Dazu in Kürze (ohne den Anspruch auf Vollständigkeit):

1. § 122 StGB (Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses):
Der GF hat sämtliche ihm bei seiner Tätigkeit zugegangenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse geheim zu halten. Verboten sind das Offenbaren (dh die Erteilung oder Herausgabe von Auskünften und Unterlagen an Personen, die diese davor nicht hatten) und das Verwerten (dh das Ausnützen eines Geschäftsgeheimnisses, insbesondere in wirtschaftlicher Weise) von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.

Ob diese Bestimmung auf Gesellschaftsorgane, wie den GF einer GmbH anzuwenden ist, ist in der Fachliteratur strittig. Bis zum Vorliegen höchstgerichtlicher Rechtsprechung sind GF jedoch gut beraten, diese Regelung auch für ihr Verhalten im Hinterkopf zu behalten.

Die Bestimmung ist ein Privatanklagedelikt und kann nur auf Verlangen des in seinem Geheimhaltungsinteresse Verletzten (zB der GmbH) verfolgt werden.

2. § 133 StGB (Veruntreuung):
Diese Bestimmung ist auf jene Fälle anzuwenden, in denen der GmbH ein Gut (zB Geld oder andere Sachgüter) anvertraut wird und sich entweder der GF selbst oder sonstige Mitarbeiter im Auftrag oder mit Billigung des GF dieses Gut mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, aneignen.

3. §§ 146 ff StGB (Betrug):
Betrug setzt eine Täuschungshandlung voraus, sich oder einen Dritten durch das Handeln des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und den Getäuschten oder einen Anderen dadurch am Vermögen zu schädigen. Der Vorsatz muss sich sowohl auf
• die Täuschung eines Dritten,
• die Schädigung und
• auf die unrechtmäßige Bereicherung
beziehen.

Auf GF greift dieser Tatbestand besonders dann, wenn Vertragspartner der Gesellschaft getäuscht werden (zB bei vertragswidriger Abrechnung zum Nachteil von Kunden). Da der Tatbestand des Betruges nicht voraussetzt, dass sich der Täter selbst bereichert, fallen auch Sachverhalte darunter, in denen ein Dritter getäuscht wird und einen Schaden erleidet und die Gesellschaft dadurch einen Vorteil erlangt. So können bewusste Vertragsverletzungen des GF, aber auch der Mitarbeiter, wenn dies vom GF geduldet wird, die bloß der Gesellschaft zum Vorteil gereichen, strafrechtlichen Konsequenzen für den GF haben.

4. § 153 StGB (Untreue):
4.1. Das Wesen des Untreuetatbestandes besteht darin, dass der GF seine Befugnisse überschreitet und durch diesen Missbrauch den Machtgeber (zB Gesellschafter) am Vermögen schädigt.

4.2. „Missbrauch“: unvertretbarer Gebrauch der eingeräumten Rechtsmacht:
Ob ein Missbrauch vorliegt, hängt ua von der Konkretisierung der Regelungen für den GF ab. Je präziser die Handlungsanweisungen für den GF (zB in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung), desto eher werden auch nur geringe Abweichungen dieser Anweisungen sachlich unvertretbar sein. Die Festlegung des Sorgfaltsmaßstabes für einen GmbH-GF/einen Vorstand einer AG wird in § 25 Abs 1a GmbHG bzw § 84 Abs 1a AktG näher konkretisiert.
Danach soll die Entscheidung auf Grundlage angemessener Informationen frei von sachfremden Interessen erfolgen, sofern der GF davon ausgehen durfte, im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Dies ist auf Basis einer ex-ante Prüfung zu betrachten. Ein starkes Indiz für einen Befugnismissbrauch ist, wenn der GF durch seine Entscheidung einen eigenen Vorteil erlangt.

4.3. Der Untreuetatbestand soll die wirtschaftlich Berechtigten, dh die Gesellschafter, vor einem Vermögensnachteil schützen. Untreue ist demnach nicht verwirklicht, wenn durch das Handeln des GF formal zwar die Gesellschaft geschädigt wird, dies jedoch den Gesellschaftern entsprechend ihren Anteilen zum Vorteil gereicht (unter Umständen ist jedoch ein anderes Delikt verwirklicht, zB betrügerische Krida).

4.4. Eine Zustimmung sämtlicher wirtschaftlich Berechtigter (dh der Gesellschafter) zur Vertretungshandlung des GF wird in der Regel für diesen die Strafbarkeit nach § 153 StGB entfallen lassen, sofern diese unter Kenntnis der wahren Tatsachen erfolgt und der Berechtigte zu einer solchen Einwilligung legitimiert ist.  

4.5. Verbot der Einlagenrückgewähr
Einlagenrückgewähr liegt gemäß § 82 GmbHG vor, wenn die Gesellschaft rechtsgrundlos Leistungen außerhalb der Verteilung des Bilanzgewinns an einen Gesellschafter erbringt. Durch eine solche Leistung erbringt die Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter eine Nichtschuld und wird in ihrem Vermögen geschmälert. Erbringt der GF solche Leistungen an einzelne Gesellschafter, sind die übrigen dadurch geschädigt und ist bei Schädigungsvorsatz des GF der Untreuetatbestand erfüllt. Nicht strafbar nach § 153 StGB wäre eine Einlagenrückgewähr, die allen Gesellschaftern nach ihren Gesellschaftsanteilen zugute kommt. Dann wäre jedoch allenfalls die Strafbarkeit des GF iSd Gläubigerschutzdelikte (zB betrügerische Krida, Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, etc) erfüllt.

4.6. Eigenkapitalersatz
Leistungen von Gesellschaftern in der Krise der Gesellschaft (bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) sind gemäß Eigenkapitalersatzgesetz (EKEG) wie Eigenkapital zu behandeln. Dh, bis zur Sanierung der Gesellschaft darf der GF diese nicht an die Gesellschafter zurückzahlen. Führt der GF dennoch eine Rückzahlung durch, kann bei Schädigungsvorsatz der Untreuetatbestand erfüllt sein, sofern nicht alle Gesellschafter gemäß ihren Anteilen von der Zahlung profitieren.

4.7. Übernahme von Strafen
Auch die Übernahme von Geldstrafen der Gesellschaft, die über einen GF verhängt wurden, kann Untreue indizieren, da eine Vereinbarung der Übernahme von Strafen vor Begehung der strafbaren Handlung zivilgerichtlich unwirksam ist und die Gesellschaft eine Nichtschuld begleichen würde. Von einer generellen Verpflichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag zur Übernahme der Strafen des GF ist daher abzuraten.

5. § 153 a StGB (Geschenkannahme durch Machthaber):
Diese Regelung stellt das Verhalten des GF unter Strafe, der für die Ausübung seiner Befugnis einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil angenommen hat und diesen pflichtwidrig nicht an die Gesellschaft abführt.

6. § 156 StGB (Betrügerische Krida):
Dieser Tatbestand schützt die Befriedigungsrechte der Gesellschaftsgläubiger, indem es das Verhalten eines GF unter Strafe stellt, wenn dieser das Gesellschaftsvermögen tatsächlich oder zum Schein verringert, um Gläubiger der Gesellschaft zu schädigen. Unter diesen Tatbestand können etwa die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Leistungen oder die Einlagenrückgewähr fallen.

7. § 158 StGB (Begünstigung eines Gläubigers):
Geschütztes Rechtsgut dieses Tatbestandes ist das gleichmäßige Befriedigungsrecht der Gläubiger. Strafbar macht sich ein GF, der nach Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (dh wenn die Gesellschaft nicht im Stande ist, binnen angemessener Frist und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle ihre fälligen Schulden vollkommen zu begleichen) durch Begünstigung eines Gläubigers die anderen Gläubiger benachteiligt. 

8. § 159 StGB (Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen):
Dieser Tatbestand soll all jene Fälle abdecken, in denen Gläubiger durch grob fahrlässiges Verhalten des GF geschädigt werden. Voraussetzung dafür ist ein kridaträchtiges Handeln des GF:

  • Zerstören, Verschleudern, Verschenken von Gesellschaftsvermögen;
  • Ausgeben hoher Beträge für gewagte Geschäfte, sofern diese nicht zum ordentlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft gehören;
  • Betreiben eines übermäßigen oder unverhältnismäßigen Aufwandes;
  • Unterlassen der Führung von Geschäftsbüchern oder sonstigen Kontrollmaßnahmen;
  • Unterlassen der Erstellung von Jahresabschlüssen;

Um kridaträchtiges Verhalten zu vermeiden, sollte der GF jederzeit alle Aufzeichnungen führen und Kontrollmaßnahmen setzen, die ihm einen Überblick über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft verschaffen und auch die notwendigen Schlüsse aus diesen Geschäftsaufzeichnungen ziehen (zB Sanierungskonzepte erstellen; Beiziehung von Rechtsanwälten und Wirtschaftstreuhändern, etc).

9. §§ 163a ff StGB (Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände) – sog Bilanzdelikte:
Als Täter kommt ein Entscheidungsträger (GF, Vorstand) eines in § 163c StGB angeführten Verbandes (zB GmbH, AG, etc) in Betracht. Die Tat besteht in einer – in unvertretbarer Weise vorgenommenen – falschen oder unvollständigen Darstellung von Informationen über die Vermögens-, Finanz-, oder Ertragslage der Gesellschaft. Diese falsche Darstellung muss geeignet sein, erheblichen Schaden für die Gesellschaft, die Gesellschafter oder Gläubiger herbeizuführen. Auch die Unterlassung der Erstattung eines Sonderberichtes, der angesichts einer drohenden Gefährdung der Liquidität der Gesellschaft gesetzlich geboten ist (zB Sonderbericht an den Aufsichtsrat gemäß § 38a Abs 1 GmbHG), steht unter Strafe.