Rücktrittsrecht nach dem FAGG bei Übergang der kostenlosen Testphase in ein kostenpflichtiges Abo?

Erstellt von Thomas Hörantner, LL.M. |
Allgemeine Vertragsbedingungen

1. Sachverhalt

Ein Unternehmer betreibt eine Online-Lernplattform für Schüler. Er schließt mit Verbrauchern Verträge ab und legt den Vertragsabschlüssen seine AGB zugrunde.

Die AGB sehen bei erstmaliger Buchung eines Abos eine kostenlose Testphase für die Dauer von 30 Tagen ab Vertragsabschuss vor. Im Zeitraum der Testphase ist eine jederzeitige fristlose Kündigung möglich. Nach Ablauf der 30 Tage wird das Abo automatisch kostenpflichtig.

Der Unternehmer informiert die Verbraucher anlässlich des ersten Vertragsabschlusses über ihre nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (kurz: FAGG) zustehenden Rücktrittsrechte.

Der Verein für Konsumenteninformation (kurz: VKI) klagte auf Unterlassung. Er vertrat die Ansicht, dass der Unternehmer Verbraucher auch nach Überleitung des Testabos in ein reguläres (kostenpflichtiges) Abo – dh nach Ablauf der Testphase – erneut über die Rücktrittsrechte informieren müsse. 

 

2. Rechtliche Bestimmungen
Der nationale Gesetzgeber setzte die EU-Richtlinie 2011/83/EU (auch bekannt als: „Verbraucherrechte-RL“) mit dem FAGG um.

Den Unternehmer treffen nach dem FAGG umfassende Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher (§ 4 FAGG). So hat dieser (unter anderem) über ein bestehendes Rücktrittsrecht des Verbrauchers und die Vorgangsweise für die Ausübung zu informieren.

Nach Art 6 Abs 1 lit o der Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 4 Abs 1 Z 14 FAGG) hat der Unternehmer einen Verbraucher über die Bedingungen sich automatisch verlängernder Verträge zu informieren.

Nach Art 9 der Verbraucherrechte-RL (umgesetzt in § 11 FAGG) hat der Verbraucher das Recht, binnen 14 Tagen bei im Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen – ohne Angabe von Gründen – zurückzutreten.

 

3. Ausführungen des OGH

Strittig war im konkreten Fall, ob ein Unternehmer den Verbraucher (nicht nur bei Vertragsabschluss) sondern auch bei Übergang der kostenlosen Testphase in ein kostenpflichtiges Abo über die Rücktrittsrechts nach dem FAGG informieren muss.

Der OGH ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung, ob Art 9 Abs 1 der Verbraucherrechte-RL dahin auszulegen ist, dass dem Verbraucher bei automatischer Verlängerung (Art 6 lit o) eines Fernabsatzvertrages erneut ein Widerrufsrecht zukommt.

Der EuGH entschied mit Urteil vom 05.10.2022, C-565/22, dass in der konkreten Konstellation (Übergang eines kostenlosen Abos in ein kostenpflichtiges Abo nach einer bestimmten Zeit) das Widerrufsrecht nur ein einziges Mal, dh bei Abschluss der kostenlosen Testphase, zukommt. 

Der OGH hatte laut EuGH noch zu prüfen, ob der Verbraucher vom Unternehmer in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert wurde, dass das Abo nach dem anfänglichen kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird.

Nach Ansicht des OGH hatte der Unternehmer den Verbraucher ausreichend über den Übergang des anfänglich kostenlosen in ein kostenpflichtiges Abo informiert. Daher wies der OGH die Revision ab. 

 

4. Fazit

Schließen ein Unternehmer und ein Verbraucher unter Zugrundelegung der AGB einen Dienstleistungsvertrag ab, wonach das Abo nach einer kostenlosen Testphase in ein kostenpflichtiges Abo übergeht, so genügt es, wenn der Unternehmer den Verbraucher bei Vertragsabschluss über die Rücktrittsrechte nach dem FAGG informiert. Eine erneute Informationspflicht bei Übergang der kostenlosen Testphase in ein kostenpflichtiges Abo besteht nicht. 

Der Unternehmer muss aber darüber aufklären, dass die Erbringung der Dienstleistung nach dem anfänglichen kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird.

 

Anmerkung: In der konkreten Entscheidung war das FAGG noch in der Fassung vor dem Modernisierungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (MoRUG – BGBl I 2022/109) anzuwenden.