OGH glättet Wogen im Rechtsprechungschaos zu Wertsicherungsklauseln in langfristigen Mietverträgen (30.07.2025, 10Ob 15/25s)

Erstellt von Mag. Sylvia Unger |
Liegenschaftsrecht , Mietrecht

1. Einleitung

In seinem Urteil 10 Ob 15/25s klärte der OGH die zuletzt höchst umstrittene Frage, ob die in etlichen Mietverträgen enthaltenen Wertsicherungsklauselnungültig und damit rückforderbar sind. Zuvor lagen bereits Entscheidungen des OGH aus  den letzten Jahren (2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h, 8 Ob 6/24a) und des Verfassungsgerichtshof aus Juni 2025 (G 170/2024-17, G 37-38/2025-11) vor. Diese Entscheidungen hätten, ohne die zuletzt ergangene Klarstellung des OGH vom 30.07.2025, für ein regelrechtes Erdbeben in der Immobilienbranche gesorgt und unbefristete Neuvermietungen vor das Aus gestellt.   

 

2. Ausgangslage

Ein Mieter forderte einen Teil der Mietzinse nach einer Mieterhöhung zurück, weil die Wertsicherungsklausel des Mietvertrages bereits kurz nach Vertragsbeginn zu einer Erhöhung führte. Der Mieter stützte sich bei seiner Rückforderung auf § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Diese Bestimmung verbietet Unternehmern, innerhalb von 2 Monaten nach Vertragsbeginn ein höheres Entgelt für ihre Leistung zu verlangen, sofern die Erhöhung nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde. Der OGH gab in den oben genannten Entscheidungen jeweils den Mietern recht, was die jeweiligen Wertsicherungsklauseln unwirksam machte. 

 

3.Das VfGH-Erkenntnis vom 24.06.2025

Die Vermieter wandten sich daraufhin an den VfGH mit der Begründung, die beiden Konsumentenschutzbestimmungen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB seien nicht verfassungskonform. Sie argumentierten, dass insb bei langfristigen Verträgen ein generelles Verbot von Preisanpassungen im den ersten beiden Monaten nicht sachlich gerechtfertigt sei. Der VfGH setzte sich im Erkenntnis G 170/2024-17, G 37-38/2025-11 damit auseinander und urteilte, dass die Bestimmungen verfassungsgemäß seien. 

Demnach wurde von zwei Höchstgerichten bestätigt, dass Mieterhöhungen aufgrund von Wertsicherungsklauseln rechtswidrig sein können und nur unter besonderen Bedingungen gültig sind. Für das Gros der unbefristeten Mietverträge hätte das bedeutet, dass die betroffenen Mieter Mietzinserhöhungen zurückfordern hätten können, sofern die Wertsicherungsklauseln nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden.

 

4.Das OGH-Urteil vom 30.07.2025

Die Entscheidung, in der sich der OGH abermals mit der Gültigkeit von Wertsicherungsklauseln auseinandersetzen musste, stellt eine Judikaturwende des OGH dar, die auf die zunehmende Kritik aus der Praxis und Literatur reagierte. Zahlreiche Fachstimmen kritisierten zuvor, dass eine uneingeschränkte Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse (insbesondere Mietverträge) mit dem Normzweck unvereinbar sei. Dieser Argumentation folgt der OGH nun ausdrücklich.

Zweck des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist es laut OGH, Konsumenten vor plötzlichen Preissteigerungen bei kurzfristig zu erbringenden Leistungen zu schützen, etwa bei Urlaubsbuchungen oder Kurzzeitvermietungen, die rasch nach Vertragsabschluss erfüllt werden. 

In einem langfristigen Mietverhältnis besteht dieses Überraschungsmoment nicht. Der Mieter erwartet nicht, dass der Mietzins über Jahre hinweg unveränderlich bleibt. Die Wertsicherung ist im Bestandrecht gängige Praxis. Die Vorschrift ist daher auf Mietverträge nicht zugeschnitten, da hier die Vermieterleistung (das Zurverfügungstellen der Wohnung) fortlaufend erbracht wird. 

 

5. Entscheidung in einfacher Senatsbesetzung

Die Entscheidung erging - nicht unumstritten - in einfacher und nicht verstärkter Senatsbesetzung. 

Der einfache Senat ist dann zu verstärken, wenn 

  • die Entscheidung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des OGH oder von der zuletzt ergangenen Entscheidung eines verstärkten Senats bedeuten würde oder

  • eine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in der Rechtsprechung des OGH nicht einheitlich beantwortet worden ist.

Der Senat war sich bewusst, dass seine Rechtsmeinung von jüngsten Vorentscheidungen abweicht, vertritt jedoch die Meinung, dass es zur Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG zu langfristigen Dauerschuldverhältnissen noch keine „ständige Rechtsprechung“ gäbe, weshalb eine Entscheidung in verstärkter Senatsbesetzung nicht notwendig war. 

 

6. Fazit 

Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen mit längerer Laufzeit (mehr als zwei Monate) sind nicht unwirksam, nur weil sie theoretisch Preisänderungen innerhalb der ersten zwei Monate ermöglichen. § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist nicht anwendbar, solange die Vermieterleistung nicht binnen zwei Monaten vollständig erbracht ist. Das kommt bei regulären Wohn- und Geschäftsmietverträgen praktisch nicht vor.

Der OGH zieht weiters eine klare Linie: § 6 Abs 2 Z 4 KSchG schützt nur vor überraschenden Preisänderungen bei kurzfristig zu erfüllenden Verträgen – nicht aber bei klassischen Mietverhältnissen mit mehrjähriger Dauer. Für die Praxis bedeutet das: Wertsicherungsklauseln bleiben erlaubt, sofern sie sachlich gerechtfertigt und transparent geregelt sind.