Mietzinsminderung wegen Betretungsverbot im Lockdown (OGH 25.01.2022, 8 Ob 131/21d)

Erstellt von Mag. Fridolin Fahringer |
Zivilrecht

Ein Mietzinsentfall nach § 1104 ABGB ist auch möglich, wenn der Mietgegenstand aufgrund einer „Seuche“ wie COVID-19 aufgrund einer behördlichen Anordnung unbenützbar wird. Ob der Mietgegenstand jedoch teilweise benutzbar ist und demnach zumindest aliquoter geminderter Mietzins geschuldet wird, hängt davon ab, ob eine eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit wie zB das Anbieten von Take-away für den Mieter sowohl möglich als auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

1. Hintergrund

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Geschäftsräumlichkeit in Wien, die beklagte Bestandnehmerin ebendieser. Die beklagte Partei betreibt eine Gastwirtschaft in den angemieteten Geschäftsräumlichkeiten. Aufgrund des (zweiten) Lockdowns im November 2020, war zu dieser Zeit das Betreten und Befahren sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Kauf von Waren und Konsumation untersagt. Die Beklagte bezahlte im Lockdown zwischen November 2020 und Jänner 2021 keinen Mietzins. Die Klägerin begehrte € 13.342,11 sA als ausständigen Mietzins, da der Mietgegenstand zumindest teilweise benützbar gewesen sei, da die Beklagte ein Take-away hätte anbieten können (kein gänzlicher Entfall des Mietzinsanspruchs).

2. COVID-19 als „Seuche“ iSd § 1104 ABGB

Bei einer gänzlichen Unbenutzbarkeit eines Bestandsobjekts aufgrund „außerordentlicher Zufälle" gem § 1104 ABGB ist kein Mietzins zu entrichten („Seuche“). Dies ist selbst dann gegeben, wenn die Unbenutzbarkeit aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs (zB Betretungsverbots) erfolgt. Eine Beeinträchtigung der physischen Substanz des Bestandsobjekts ist nicht notwendig.

3. Teilweise Benützbarkeit aufgrund der Möglichkeit eines Take-aways?

Die teilweise Benützbarkeit des Mietgegenstands ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. Dabei müsste die Bestandsache verwendet werden können, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist. Es ist in erster Linie die Parteienvereinbarung sowie der Geschäftszweck maßgeblich. Ist der bedungene Gebrauch durch Kundenverkehr gekennzeichnet, so führt ein Betretungsverbot zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Mietgegenstands, bei einer teilweisen Unbenutzbarkeit hingegen nur zu einer Mietzinsminderung. Im Anlassfall handelt es sich um eine Gastwirtschaft. Der Mieter bot während dem Lockdown kein Take-away Service an. Unter Gastwirtschaft iSd § 111 Abs 4 Z 4 lit a GewO fallen jedenfalls auch Leistungen des Gastgewerbes wie Take-away Services. Daher steht laut OGH zumindest abstrakt jedenfalls eine teilweise Mietzinspflicht offen.

4. Einwand des fehlenden Kundenkreises

Der OGH führte jedoch weiter aus, dass der Mieter einwenden kann, dass die Etablierung eines bislang nicht betriebenen Liefer- oder Abholservice nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre, da das Take-away Service aufgrund eines fehlenden Kundenkreises ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre (Unzumutbarkeit). Aufgrund fehlender Feststellungen wurde das Verfahren an das Erstgericht zurückverwiesen.