Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte - EuGH Entscheidung C-534/20

Erstellt von Mag. Sylvia Unger |
Arbeitsrecht

Ein strengerer Kündigungsschutz nach nationalem Recht für Datenschutzbeauftragte ist nicht unionsrechtswidrig, soweit kein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorliegt und deren Ziele nicht beeinträchtigt werden.

1. Sachverhalt

Die in Deutschland ansässige Gesellschaft Leistritz AG hat ihre Datenschutzbeauftragte im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme gekündigt. Die in erster Instanz für nichtig erklärte Kündigung wurde im Revisionsverfahren bekämpft. Es wurde hinterfragt, ob der innerstaatlich geregelte Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte strenger gefasst sein darf als im Unionsrecht.

2. Rechtliche Grundlagen

Art. 37 - 39 DSGVO regelt unter anderem, wann Datenschutzbeauftragte zu benennen sind. Diese haben einen besonderen Schutz vor Motivkündigungen, sie dürfen wegen der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht abberufen werden oder benachteiligt werden. Durch den besonderen Kündigungsschutz im Artikel 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO wird die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gewährleistet. Die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten umfassen insbesondere Überwachung der Einhaltung der Verordnung und Strategien der Verantwortlichen zum Schutz von personenbezogenen Daten.

3. Zur Entscheidung des EUGH

Art. 38 Abs. 3 DSGVO sieht vor, dass der Datenschutzbeauftragte aufgrund seiner Tätigkeit nicht benachteiligt oder abberufen werden darf. Das vorlegende Gericht wollte vor allem wissen, ob eine nationale Regelung zulässig ist, welche den Kündigungsschutz verstärkt, sodass diese nur aus wichtigen Gründen zulässig ist, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung der Aufgaben der Datenschutzbeauftragten zusammenhängt.

Datenschutzbeauftragte müssen ihre Aufgabe in vollständiger Unabhängigkeit wahrnehmen können. Dies soll durch den besonderen Kündigungsschutz erreicht werden.

Der Arbeitnehmerschutz ist jedoch - ausgenommen die Regelung des Art. 38 Abs 3 DSGVO - eine sozialpolitische Angelegenheit, welche gemäß Art 2 Abs 2 und Art 4 Abs 2 lit b AEUV in die geteilte Zuständigkeit zwischen Union und Mitgliedstaaten fällt.

Zum Arbeitnehmerschutz kann die Union ergänzend und unterstützend durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen. Dadurch wird jedoch gem. Art 153 Abs 2 b und Abs 4 AEUV den Mitgliedsstaaten nicht die Kompetenz entzogen, besondere oder strengere innerstaatliche Regelungen zu erlassen.[1] Dabei dürfen die Mitgliedstaaten jedoch nicht gegen Unionsrecht verstoßen.

3. Fazit

Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO ist so auszulegen, dass eine nationale Regelung nicht entgegensteht, welche vorsieht, dass ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigen Gründen gekündigt werden darf, auch wenn kein Zusammenhang mit der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter besteht. Dies darf jedoch nicht die Verwirklichung der Ziele der DSGVO verhindern.

Daher sind nationale Regelungen zum Kündigungsschutz der Datenschutzbeauftragten erlaubt, vorausgesetzt dass bestehendes Unionsrecht – insbesondere Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO, nicht beeinträchtigt wird.

 

[1] EuGH 19.11.2019, C-609/17 und C-610/17