Kein gutgläubiger Verbrauch von irrtümlich erfolgter zusätzlicher Überweisung des Arbeitgebers (OGH 15.12.2021, 9 ObA 103/231v)

Erstellt von Thomas Hörantner, LL.M. |
Arbeitsrecht , Zivilrecht

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitnehmerin (AN) war von 20o6 bis 2017 beim klagenden Arbeitgeber (AG) beschäftigt. Im Jahr 2016 bezog sie ein monatliches Gehalt iHv EUR 1.526,65 netto und im Jahr 2015 ein Gehalt iHv EUR 1.454,63 netto.

Zuzüglich zu ihren Gehaltszahlungen wurde der AN sechs Mal im Zeitraum von 19.03.2015 bis 29.04.2016 vom Konto des AG ein Betrag überwiesen, der sich in Summe auf EUR 11.425,00 belief. Die Unterschrift auf den für die Überweisungen genutzten Erlagscheinen stammte jeweils vom AG. Der Buchhalterin des AG lagen von ihm blanko unterschriebene Zahlungsanweisungsbelege vor, mit denen sie die Überweisungen in der Abwesenheit des AG überweisen konnte.

Nach Bekanntwerden der zusätzlichen Überweisungen an die AN, kam vorerst keine Einigung über eine Rückzahlung zustande, sodass der AG der AN am 09.02.2017 einen Rückzahlungsplan übergab. Am 10.02.2017 erklärte die AN schriftlich ihren Austritt.

Mit Klage forderte der AG die rechtsgrundlos von seinem Konto erfolgten Zahlungen zurück. Die AN wandte (ua) ein, dass ihr eine Überzahlung nicht aufgefallen sei, da sie beim Konto ohnehin immer im Minus gewesen sei. Daher sei der Verbrauch des überwiesenen Geldes gutgläubig erfolgt.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit EUR 10.530,58 zu Recht fest. Das Berufungsgericht hingegen gab der von der AN dagegen erhobenen Berufung Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Rechtlicher Hintergrund

Nach § 1431 ABGB kann derjenige, der irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, das Geleistete bereicherungsrechtlich zurückfordern. Voraussetzung stellt das Vorliegen einer rückgängig zu machenden, ungerechtfertigten Vermögensverschiebung dar.

Eine Rückforderung ist allerdings nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausgeschlossen, wenn der AN Zahlungen im guten Glauben empfangen und verbraucht hat.

Entscheidung des OGH (9ObA103/21v)

Der OGH führte aus, dass die Grundsätze des § 1431 ABGB auch im Arbeitsrecht anzuwenden sind. Werden demnach Bezüge irrtümlich angewiesen, so können sie vom AG zurückgefordert werden. Lediglich im Falle redlichen Verbrauchs durch den AN ist eine Rückforderung durch den AG ausgeschlossen.

Der gute Glaube liegt nicht nur bei Vorliegen auffallender Sorglosigkeit des Empfängers, sondern auch bei Zweifeln bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags, nicht mehr vor.

Da es sich bei den geleisteten Zahlungen um keine geringfügige Überzahlung handelt (und daneben die Gehaltszahlungen in gleichbleibender Höhe flossen), hätte die AN aber bei einer objektiven Betrachtung an der Rechtmäßigkeit der ausbezahlten Beträge zumindest zweifeln müssen. Keinen Unterschied machte nach Ansicht des OGH die Überziehung des Kontos, da ein Minus am Konto nichts an der Wahrnehmbarkeit solcher Gutschriften am Konto ändert.