Kann sich ein Aufsichtsratsmitglied der Untreue (§ 153 StGB) strafbar machen?

Erstellt von Mag. Bianca Holzer |
Commercial Law , Unternehmensrecht

Ein Aufsichtsratsmitglied kann sich der Beteiligung an Untreuehandlungen der Geschäftsführung strafbar machen. Hat das Aufsichtsratsmitglied auch eine selbständige Kompetenz zur nach außen wirksamen Vertretung der Gesellschaft, kann es sich auch unmittelbar der Untreue strafbar machen.

1. Untreue nach § 153 StGB und Strafrahmen

Der Untreue macht sich strafbar, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

Für Untreue droht eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Monate oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Wird aber ein Schaden über EUR 5.000,00 herbeigeführt, droht eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren; bei einem Schaden über EUR 300.000,00 eine Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren.

2. Entscheidung des OGH (12 Os 39/18d)

Der OGH entschied, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied nur als unmittelbarer Täter der Untreue strafbar machen kann, wenn der Aufsichtsrat eine selbstständige Kompetenz zur außenwirksamen Vertretung der Gesellschaft hat. Wenn das Aufsichtsratsmitglied bloß seine Überwachungsbefugnis (§ 30j Abs 1 und Abs 2 GmbHG) ausübt, ist es nicht unmittelbarer Täter der Untreue, weil mit der Überwachungsbefugnis nicht die Befugnis verbunden ist, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten (Tatbestandselement der Untreue). Auch bei zustimmungspflichtigen Geschäften, das sind Geschäfte, die nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen, ist das Aufsichtsratsmitglied nicht unmittelbarer Täter der Untreue, weil keine nach außen wirksame (rechtsgeschäftliche) Vertretungsmacht vorliegt.

Möglich ist aber in den Fällen der Überwachungsbefugnis und der zustimmungspflichtigen Geschäfte eine Beteiligungstäterschaft (§§ 12, 14 StGB) des Aufsichtsratsmitgliedes an strafbaren (Untreue)Handlungen der Geschäftsführer. Eine Beteiligungstäterschaft kommt auch dann in Frage, wenn die Geschäftsführung zur Absicherung bei nicht zustimmungspflichtigen Geschäften die Zustimmung des Aufsichtsrates einholt.

3. Schlussfolgerung

Ein Aufsichtsratsmitglied kann sich grundsätzlich nicht als unmittelbarer Täter der Untreue strafbar machen, wohl aber als Beteiligungstäter an strafbaren Handlungen der Geschäftsführer. Eine mögliche Strafbarkeit wegen Beteiligung an der Untreue der Geschäftsführer kommt in Fällen der Überwachungsbefugnis, bei zustimmungspflichtigen Geschäften und Zustimmung des Aufsichtsrates in Betracht. Eine Strafbarkeit als unmittelbarer Täter kommt für ein Aufsichtsratsmitglied nur in Frage, wenn das Aufsichtsratsmitglied auch eine selbstständige Kompetenz zur nach außen wirksamen Vertretung der Gesellschaft hat.