Haftung der Geschäftsführung bei Insolvenz einer GmbH (OGH 26.09.2017, 6 Ob 164/16k)

Erstellt von Mag. Bianca Holzer |
Corporate Law , Gesellschaftsrecht

Ein Geschäftsführer ist der Gesellschaft zum Schadenersatz verpflichtet, wenn nach dem Zeitpunkt, in dem er die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens begehren hätte müssen, Zahlungen geleistet werden. Damit ist auch das Gebot zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags verbunden. Das Zahlungsverbot beginnt, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, also nach Eintritt der materiellen Insolvenz. Zahlungen, die nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, fallen nicht darunter. Dazu zählen zB Zahlungen an ohnehin voll zu befriedigende Aus- oder Absonderungs- oder Aufrechnungsberechtigte sowie Zahlungen der Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.

 

 

Der Schaden

Bei Zahlungen nach der Insolvenzreife der Gesellschaft sind in Wahrheit die Gläubiger die Geschädigten einer Insolvenzverschleppung und nicht die Gesellschaft. Durch jeden Abgang von Aktiven verringern sich die Befriedigungschancen der verbleibenden Gläubiger und damit deren Insolvenzquote. Der Zweck des Zahlungsverbots besteht darin, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolventen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. 

Der entstandene Schaden einer Insolvenzverschleppung besteht darin, dass durch die verspätete Insolvenzanmeldung und die in dieser Zeit geleisteten Zahlungen (trotz Zahlungsverbots) das Gesellschaftsvermögen (= Insolvenzmasse) geschmälert wird. Folglich wird auf einen Gesamtschaden innerhalb dieser Verschleppungsphase abgestellt und nicht auf jede einzelne unzulässige Zahlung. 

Der Schaden verringert sich um jene Quote, die der unzulässigerweise befriedigte Gläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Diese Insolvenzquote hat der Geschäftsführer zu behaupten und zu beweisen. 

Beweislast

Die Höhe des entstandenen Schadens der Gesellschaft wird in der Höhe der verbotenen Zahlung (widerleglich) vermutet. Der Geschäftsführer kann beweisen, dass der Gesamtgläubigerschaden geringer ist als die eingeklagte Summe. Der Gesamtgläubigerschaden ist der Betrag, um den die geschmälerte Insolvenzmasse erhöht werden muss, um die den Gläubigern zustehende Insolvenzquote zu erreichen. 

Vom Zahlungsverbot erfasste unzulässige „Zahlungen“

Nach hM sind alle zahlungsähnlichen Handlungen vom Zahlungsverbot erfasst, welche die Insolvenzmasse schmälern. Dazu zählen: 

  • Zahlungen eines Schuldners auf das debitorische Gesellschaftskonto der GmbH, da sie die Kreditverbindlichkeit des Schuldners verringern.
  • Zahlungen an jene Gläubiger, die eine Forderung aus der Zeit nach Eintritt der materiellen Insolvenz erworben haben. Sie schmälern das verteilungsfähige Gesellschaftsvermögen und verringern die Insolvenzquote der Gläubiger.

Nicht vom Zahlungsverbot erfasst und daher zulässig

  • Überweisungen von einem debitorischen Bankkonto der Gesellschaft an einzelne Gesellschaftsgläubiger. Die Zahlungen werden aus Kreditmitteln vorgenommen, wenn die Bank auf keine diese Schulden deckenden Gesellschaftssicherheiten greifen kann. Sie schmälern somit weder die Insolvenzmasse noch ergehen sie zum Nachteil der Gläubigergesamtheit. An die Stelle der Forderung des „bezahlten“ Gläubigers tritt die Forderung der Bank (die Kreditverbindlichkeit). Es kommt lediglich zu einem masseneutralen Gläubigertausch. 
  • Die bloße Aufnahme neuer Verbindlichkeiten stellt keine Zahlung dar, weil es dabei (noch) zu keiner Schmälerung der Insolvenzmasse kommt.