Gerichtsstand bei Ergänzungsvereinbarung zu einem Abtretungsvertrag (OGH 30.03.2022, 8 Ob 13/22b)

Erstellt von Mag. Bianca Holzer |
Gesellschaftsrecht , Zivilprozessrecht

1. Sachverhalt

Zwischen B (Beklagter) und K (Kläger) wurde ein Abtretungsvertrag geschlossen. Mit dem Abtretungsvertrag hat B GmbH-Anteile von K erworben. Im Abtretungsvertrag ist eine Gerichtsstandvereinbarung enthalten und ist bestimmt, dass Ergänzungen zum Abtretungsvertrag der Schriftform bedürfen und mündliche Nebenabreden zum Abtretungsvertrag nicht bestehen.

Etwa 2 Monate später wurde ein Ergänzungsvertrag zum Abtretungsvertrag abgeschlossen, der eine Zahlungsverpflichtung des B enthält. Im Ergänzungsvertrag ist keine Gerichtsstandvereinbarung getroffen und nimmt dieser auch nicht auf jene im Abtretungsvertrag Bezug.

Der K klagt nun B auf Zahlung aus dieser Zahlungsverpflichtung aus dem Ergänzungsvertrag. B wendet Unzuständigkeit des Gerichtes ein.

2. OGH-Entscheidung 8 Ob 13/22b

Gerichtsstandvereinbarungen (nach Art 25 EuGVVO) müssen auf einer tatsächlichen und übereinstimmenden Willenserklärung der Parteien für die Zuständigkeit beruhen. Die übereinstimmende Willenserklärung muss klar und deutlich sein. Es soll gewährleistet sein, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht.

Die Willenseinigung ist von der Partei zu beweisen, die sich auf die Klausel beruft (OGH, RIS-Justiz RS0114192).

Das Vorliegen einer übereinstimmenden Willenserklärung ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sind eng (und autonom) auszulegen, weil Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden sollen. Die Auslegung der Gerichtsstandklausel ist Sache des angerufenen, nationalen Gerichts. Dabei hat es einen Beurteilungsspielraum.

Die Unzuständigkeitseinrede des B kann sich daher nur darauf beziehen, dass der vorliegende Rechtsstreit (auch) eine Streitigkeit „aus oder „im Zusammenhang mit“ dem Abtretungsvertrag betrifft, weil diese beiden Verträge nach dem Parteiwillen eine untrennbare Einheit bilden.

Beim Abschluss des schriftlichen Ergänzungsvertrages war B bereits Gesellschafter der GmbH. Wäre es zu keiner Willenseinigung über den Inhalt des Ergänzungsvertrages gekommen, hätte dies an seiner mit dem Abtretungsvertrag erworbenen Rechtsstellung nichts mehr geändert, mag auch der Inhalt als Teil des gemeinsamen Plans zur Finanzierung und Entwicklung der angestrebten Unternehmensgruppe bereits vor dem Abtretungsvertrag besprochen worden sein.

Wenn also das Gericht der Ansicht ist, dass die Klage keine Streitigkeit „aus oder im Zusammenhang mit“ dem Abtretungsvertrag (samt Gerichtsstandklausel) betrifft, ist diese Ansicht vertretbar. Ob aufgrund der Begleitumstände allenfalls auch ein anderes Auslegungsergebnis vertretbar wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Fazit

Soll auch ein Ergänzungsvertrag derselben Gerichtsstandvereinbarung aus dem Hauptvertrag unterliegen, ist

  • entweder im Ergänzungsvertrag die Gerichtsstandklausel aufzunehmen oder
  • auf die Gerichtsstandklausel des Hauptvertrages ausdrücklich Bezug zu nehmen, dh zu verweisen.

Andernfalls könnten allenfalls Verpflichtungen aus dem Ergänzungsvertrag auch bei anderen Gerichten eingeklagt werden, die der Gerichtsstandklausel des Hauptvertrages nicht unterliegen.