EuGH-Entscheidung erlaubt Kopftuchverbot für Dienstnehmer im öffentlichen Dienst

Erstellt von Mag. Sylvia Unger |
Arbeitsrecht

1. Einleitung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) setze sich in der Entscheidung C-148/22 vom 28. November 2023 (OP/Commune d‘ Ans) mit dem Verbot von Kopftüchern im öffentlichen Dienst auseinander; Link zur Entscheidung. Die Entscheidung hat wesentliche Auswirkungen auf das Tragen von religiösen und weltanschaulichen Zeichen bei der Arbeit in Behörden. 

 

2. Sachverhalt

Eine Vertragsbedienstete einer belgischen Gemeinde (Klägerin) beantragte nach einigen Jahren im Dienst, ein Kopftuch tragen zu dürfen. Dies wurde ihr von der Gemeinde (Beklagte) zunächst verboten, bis der Gemeinderat hierzu eine allgemeine Regelung traf. Dieser änderte die Arbeitsordnung dahin, dass es allen Arbeitnehmern der Gemeinde verboten ist, am Arbeitsplatz religiöse Zeichen zu tragen, unabhängig, ob sie Parteienkontakt haben oder nicht, und verpflichtete die Arbeitnehmer zur Neutralität. Die Klägerin sah sich in ihrer Religionsfreiheit verletzt und klagte daher am zuständigen belgischen Arbeitsgericht. 

Nach Ansicht dieses Gerichts stellte das Verbot des Tragens von religiösen Zeichen eine mittelbare Diskriminierung dar, da sie zwar objektiv jeden betraf, aber subjektiv angewandt wurde, und so insbesondere Trägerinnen von islamischen Kopftüchern betraf.
Das Gericht zweifelte daran, dass ein allgemeines Verbot des Tragens von religiösen Zeichen für alle Mitarbeiter, egal ob mit oder ohne Publikumskontakt, mit der EU-Richtlinie (RL) 2000/78 (Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) vereinbar ist. Daher legte das belgische Gericht den Fall zur Vorabentscheidung und zur Auslegung der RL 2000/78 dem EuGh vor. 

 

3. Rechtsansicht des EuGH

Der EuGH stellte fest, dass ein Verbot des Tragens von religiösen Zeichen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung darstellt, sofern es undifferenziert für alle Mitarbeiter gilt. Weil jeder einzelne eine religiöse oder spirituelle Weltanschauung haben kann, begründet eine solche Regel, sofern sie unterschiedslos und allgemein angewandt wird, keine Ungleichbehandlung. 

Ein solches Verbot kann jedoch eine mittelbare Diskriminierung darstellen, wenn sich herausstellt, dass eine anscheinend neutrale Bestimmung dazu führt, dass Personen mit bestimmter Religion oder Weltanschauung besonders benachteiligt werden, wie hier Trägerinnen von islamischen Kopftüchern.

Nach Art 2 Abs 2 lit b Z i der RL 2000/78 führt solch eine Ungleichbehandlung aber zu keiner Diskriminierung, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist, und die Mittel zur Erreichung angemessen und erforderlich sind. Ein solches Ziel muss jedoch systematisch und gleich gegenüber allen Mitarbeitern verfolg werden, um nicht erneut diskriminierend zu wirken. Im gegenständlichen Fall war das Ziel die Schaffung einer neutralen Verwaltung, was ein rechtmäßiges Ziel ist.

Die gegenständliche Regelung war deshalb nicht diskriminierend, weil die RL 2000/78 den Mitgliedstaaten der EU nur einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung vorgibt und bewusst Spielraum gelassen hat. Das ermöglicht es den Mitgliedstaaten, für den öffentlichen Dienst, nach rechtmäßiger Zielsetzung, Vorschriften und Verbote für das Tragen von religiösen Zeichen während der Arbeit zu erlassen, sofern sie das für eine neutrale Atmosphäre in der Verwaltung für wichtig erachten.

Nach Ansicht des EuGH war die Umsetzung des Ziels der neutralen Verwaltung der Gemeinde nicht diskriminierend, da sie allen Mitarbeitern gegenüber systematisch und gleich angewandt wurde, und zur Erreichung des Ziels der neutralen Verwaltung geeignet, erforderlich, und verhältnismäßig war. Das Verbot widersprach nicht der RL 2000/78. 

 

4. Fazit Für Österreich 

Mit diesem Urteil hat der EuGH für alle Mitgliedstaaten der EU klargestellt, dass ein Mitgliedstaat und seine Behörden für seine öffentliche Verwaltung Regeln erlassen kann, die es verbieten, religiöse Symbole während der Arbeit zu tragen, unabhängig davon, ob die betroffenen Arbeitnehmer Parteienkontakt haben, oder nicht.

Damit ist zulässig, Mitarbeitern beispielsweise das Tragen von Kopftüchern zu untersagen, ohne dass dies eine Diskriminierung iSd RL 2000/78 darstellen würde. 

Voraussetzung für ein solches Verbot ist, 

  • dass es durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist,

  • dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sowohl angemessen,

  • als auch erforderlich sind.