Entscheidung des OGH zu 9 Ob 102/22y - FAGG-rechtsmissbräuchlicher Rücktritt?

Erstellt von Thomas Hörantner, LL.M. |
Zivilrecht

Sachverhalt:

Über Vermittlung einer gewerblichen Immobilienmaklerin besichtigten die Beklagten (Kaufinteressenten) eine zum Verkauf stehende Wohnung. Der Geschäftsführer der Klägerin erklärte den Kaufinteressenten, dass ein Maklervertrag notwendig sei, die Rücktrittsfrist vom Vertrag 14 Tage betrage und dass im Erfolgsfall 3 % Provision anfallen.

Zwischen den Kaufinteressenten und der Verkäuferin kam es zu keiner Einigung. Die Immobilienmaklerin konzentrierte sich in weiterer Folge darauf, neue Kaufinteressenten zu finden. Sie übermittelte den Kaufinteressenten nur schleppend angefragte Informationen über die Wohnung.

Aus diesem Grund schrieben die Kaufinteressenten der Immobilienmaklerin, dass sie jede weitere Zusammenarbeit beenden und keine weiteren Informationen mehr von der Immobilienmaklerin benötigen.

In weiterer Folge kam es ohne Beteiligung der Immobilienmaklerin zu einer weiteren Wohnungsbesichtigung und wenige Wochen später zum Kauf der Wohnung.

Als die Immobilienmaklerin vom Vertragsabschluss erfuhr, forderte sie die Käufer zur Bezahlung des Provisionsanspruches iHv EUR 33.300,00 auf. Der Rücktritt vom Vertrag sei rechtsmissbräuchlich erfolgt. Die Käufer erklärten (nach diesem Aufforderungsschreiben) den Vertragsrücktritt nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG), weil es die Immobilienmaklerin unterlassen habe, sie über ihr nach dem FAGG zustehendes Rücktrittsrecht zu informieren.

Rechtliche Bestimmungen:

Nach § 4 Abs 1 FAGG treffen den Unternehmer ein ganzes Bündel an Informationsplichten gegenüber dem Verbraucher. So hat der Unternehmer den Verbraucher etwa nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG über das Bestehen eines allfälligen Rücktrittsrechts und die Vorgangsweise und Frist zur Ausübung dieses Rechts zu informieren sowie ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen.

Bei außerhalb von den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers abgeschlossenen Verträgen sind die Informationen nach § 4 Abs 1 FAGG dem Verbraucher auf Papier oder mit Zustimmung des Verbrauchers auf einem anderen dauerhaften Datenträger (zB per E-Mail) bereitzustellen (§ 5 Abs 1 FAGG).

Der Verbraucher kann von einem außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Grund zurücktreten (§ 11 Abs 1 FAGG).

Kommt der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG (Aufklärung über das Rücktrittsrecht) nicht nach, so verlängert sich die Rücktrittsfrist um 12 Monate (§ 12 Abs 1 FAGG).

Ausführungen des OGH:

Zwischen der Immobilienmaklerin und den Kaufinteressenten als Verbraucher kam ein mündlicher außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten der Immobilienmaklerin abgeschlossener Vertrag zustande. Das FAGG ist somit anwendbar.

Da die Immobilienmaklerin ihrer Informationspflicht nach§ 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht nachgekommen ist (so wurde etwa das Muster-Widerrufsformular nicht zur Verfügung gestellt), kam es zu einer Verlängerung der Rücktrittsfrist nach § 12 FAGG.

Der OGH erachtete - entgegen der Rechtsansicht des Erst- und Zweitgerichts - den Rücktritt der Käufer vom Vertrag als nicht missbräuchlich. Es kann nach Ansicht des OGH nicht davon ausgegangen werden, dass die Käufer von Anfang an das Ziel verfolgten, die Wohnung zu erwerben, ohne dafür eine Maklerprovision zu bezahlen.

Im Ergebnis mussten daher die Käufer der Immobilienmaklerin keine Maklerprovision zahlen und die von der Immobilienmaklerin erhaltene Dienstleistung war somit kostenlos.

Anmerkung:

Die Käufer warfen im Revisionsverfahren sinngemäß die Frage auf, ob der im FAGG gesetzlich vorgesehene Rücktritt (überhaupt) rechtsmissbräuchlich sein kann. Dadurch, dass der OGH im konkreten Fall das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs verneinte, musste er diese Frage nicht klären.