Entscheidung des OGH zu 4 Ob 129/22g

Erstellt von Thomas Hörantner, LL.M. |
Mietrecht , Zivilrecht

Keine pandemiebedingte Zinsminderung wegen eines finanziellen Engpasses des Wohnungsmieters.

 

Sachverhalt:

Da die beklagte Partei als Mieterin einer Wohnung den Mietzins nicht bezahlte, brachten die klagenden Parteien eine Mietzins- und Räumungsklage ein.

Die beklagte Partei argumentierte, dass sie, als Wohnungsmieterin aufgrund eines durch die COVID-19 Pandemie verursachten finanziellen Engpasses, nicht in der Lage gewesen sei, ihre Mietzinse zu entrichten.

Die beklagte Partei wendete sich in diesem Verfahren letztlich mit einer außerordentlichen Revision an den OGH mit der Frage, ob die Judikatur zu behördlichen Schließungen im Rahmen von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 bei der Geschäftsraummiete auch zu einer Mietzinsbefreiung für Wohnungsmieter führen könne, wenn diese aufgrund der Pandemie nicht in der Lage sind, den Mietzins zu entrichten.

Rechtliche Bestimmungen:

Einschlägige Bestimmung ist zunächst § 1104 ABGB. Diese lautet wie folgt:

„§ 1104. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.

§ 1105 ABGB normiert zudem, dass dem Mieter bei einem (bloß) beschränkten Gebrauch des Mietgegenstandes ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses zu erlassen ist.

Ausführungen des OGH:

Die COVID-19 Pandemie gilt als „Seuche“ iSd § 1104 ABGB.

Die wegen diesem Elementarereignis resultierenden hoheitlichen Eingriffe (wie etwa Betretungsverbote während der COVID-19 Pandemie) führten dazu, dass die Mietobjekte „gar nicht gebraucht oder benutzt“ werden konnten (RIS-Justiz RS0133812). Eine gänzliche oder teilweise Unbrauchbarkeit kann zu einer (gänzlichen oder teilweisen) Mietzinsminderung nach §§ 1104 f AGBG führen.

Die gesetzliche Bestimmung des § 1104 ABGB hat aber – bereits nach dem eindeutigen Wortlaut – mit einer sonstigen pandemiebedingten finanziellen Notlage nichts zu tun. Sie stellt vielmehr auf die Unbrauchbarkeit der Bestandsache (hier: Wohnung) ab.

Da eine Unbrauchbarkeit der Bestandsache im konkreten Fall nicht vorliegt, war die Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

Zusammenfassung:

An der ohnehin gefestigten Rsp des OGH, dass COVID-19 als „Seuche“ unter § 1104 ABGB fällt, ist nicht mehr zu rütteln.

Dem Argumentationsversuch der beklagten Partei entgegnete der OGH – kurz und bündig – mit dem Wortlaut der Bestimmung des § 1104 ABGB, der als anspruchsbegründendes Tatbestandmerkmal eine teilweise oder gänzliche Unbrauchbarkeit der Sache vorsieht.

Liegt eine solche nicht vor, ist eine Mietzinsminderung unter Berufung auf §§ 1104 f ABGB nicht erfolgversprechend.

Eine COVID-19 bedingte finanzielle Notlage führt daher (zumindest nach §§ 1104 f ABGB) zu keiner Mietzinsminderung.