Entscheidung des OGH zu 4 Ob 122/22b

Erstellt von Thomas Hörantner, LL.M. |
Mietrecht , Zivilrecht

Die absolute Verjährung von Schadenersatzansprüchen gilt nicht für Ansprüche des Bestandgebers nach § 1111 ABGB.

 

Die absolute Verjährung von Schadenersatzansprüchen gilt nicht für Ansprüche des Bestandgebers nach § 1111 ABGB.

Sachverhalt

Die beklagten Mieter mieteten von der Vermieterin (=Klägerin) mit Mietvertrag vom 1983 eine Dachbodenfläche zum Zweck des selbständigen Ausbaus zu einer Dachgeschosswohnung samt Terrasse. Die Fertigstellung des Ausbaus erfolgte mehr als 30 Jahre vor Klagseinbringung.

Die Vermieterin stellte bei Renovierungsarbeiten im Jahr 2017 eine Durchfeuchtung des Mauerwerks und Deckenabsenkungen unterhalb der Dachgeschosswohnung und der Terrasse fest. Sie führte diese auf eine mangelhafte Bauausführung zurück und begehrte (unter anderem) die Zahlung von EUR 254.778,67 für die Behebung der Baumängel. Laut Mietvertrag seien die Mieter für eine Bauausführung entsprechend der einschlägigen Baunormen sowie der Baubewilligung verantwortlich.

Die Mieter wendeten (unter anderem) die Verjährung ein. Der Primärschaden liege in der nicht ordnungsgemäßen Errichtung des Dachbodenausbau und sei bereits vor über 30 Jahren eingetreten.

Das Erstgericht verwarf mit Zwischenurteil die Verjährungseinrede. Das Berufungsgericht hingegen wies das Klagebegehren ab. Nach dessen Ansicht sei der Anspruch bereits verjährt, da die absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren abgelaufen sei.

Rechtliche Bestimmungen

Schadenersatzansprüche verjähren grundsätzlich 3 Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger (sog. „kurze Verjährungsfrist“). Wenn dem Beschädigten der Schaden oder die Person des Beschädigten nicht bekannt geworden ist, verjähren die Schadenersatzansprüche binnen 30 Jahren (sog. „lange/absolute Verjährungsfrist“) (§ 1489 ABGB).

Für Bestandverhältnisse existiert eine Sondernorm: Der Bestandgeber hat seine Ansprüche gegen den Bestandnehmer aus Schäden am Bestandgegenstand oder eine übermäßige Abnützung desselben längstens binnen eines Jahres nach Zurückstellung des Bestandstücks gerichtlich geltend zu machen (§ 1111 ABGB).

Ausführungen des OGH

Der OGH musste klären, ob ein Vermieter seinen Schaden auch dann binnen der 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 2 ABGB geltend machen muss, wenn die einjährige Präklusivfrist gemäß § 1111 ABGB noch nicht abgelaufen ist.

Unter Verweis auf jüngst ergangene Entscheidungen des deutschen BGH (Anmerkung: zu einer laut OGH vergleichbaren deutschen Rechtslage) führte der OGH zusammengefasst aus, dass der Vermieter seine Schadenersatzansprüche gegen den Mieter gemäß § 1111 ABGB binnen einem Jahr ab Rückstellung des Mietgegenstands auch dann noch geltend machen kann, wenn der Schaden schon mehr als 30 Jahre zuvor verursacht wurde. Eine analoge Anwendung der in § 1489 Satz 2 ABGB geregelten absoluten Verjährungsfrist für allgemeine Schadenersatzansprüche findet in diesem Zusammenhang nicht statt. § 1111 ABGB ist eine Spezialnorm und verdrängt die allgemeinen Verjährungsregelungen zu Schadenersatzansprüchen.