Ein schwerwiegender Mangel muss nicht unbedingt schwer zu beheben sein

Erstellt von Mag. Sylvia Unger |
Zivilrecht

1. Einleitung

Der OGH setze sich in seiner Entscheidung 9 Ob 41/23d vom 27.09.2023 erstmals mit schwerwiegenden und geringfügigen Mängeln iSd Verbrauchergewährleistungsgesetzes (VGG) auseinander. Bisher lag dazu in Österreich noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. 

 

2. Sachverhalt 

Der Kläger (Verbraucher, Käufer) kaufte beim Beklagten (Gebrauchtwagenhändler) ein Auto. Dieses wies am rechten Hinterrad Deformierungen und Schürfungen auf, weswegen es nicht verkehrs- und betriebssicher war, und daher eine § 57a KfG Überprüfung („Pickerl“) nicht bestanden hätte. Einem Laien war dies nicht ersichtlich. Der Gebrauchtwagenhändler wies nicht darauf hin. Der Käufer verlangte die Rückabwicklung des Kaufes (Vertragsauflösung). Der Gebrauchtwagenhändler ersuchte daraufhin den Käufer, das Auto zur Begutachtung und Behebung des Schadens in dessen Werkstatt zu bringen. Dieser verweigerte und beauftragte einen Anwalt, die Rückabwicklung durchzusetzen. 

Erstgericht und Berufungsgericht kamen zum Schluss, dass der Mangel ein Sicherheitsrisiko darstellte und deswegen gem. § 12 Abs 4 Z 1 VGG derart schwerwiegend sei, dass der klagende Verbraucher sofort zur Vertragsauflösung berechtigt sei. 

 

3. Rechtliche Beurteilung des OGH 

Der OGH stützte sich bei seinen Ausführungen auf Gesetzesmaterialien und Literatur. Nach den Gesetzesmaterialien sei eine sofortige Vertragsauflösung möglich, wenn dies aufgrund der Schwere des Mangels, und der daraus resultierenden Gebrauchsbeeinträchtigung gerechtfertigt ist. Dies setzt weiters einen Vertrauensverlust in den Vertragspartner voraus. 

Daher berechtigt ein Mangel, der sicherheitsrelevant ist und die Möglichkeit des Verbrauchers zur normalen Verwendung beeinträchtigt, grundsätzlich zur Vertragsauflösung. Es ist darüber hinaus aber auch eine Interessenabwägung vorzunehmen, ob es zur tatsächlichen Vertragsauflösung kommen darf oder ob sich der Käufer mit einer entsprechenden Preisminderung zufrieden geben muss. Diese Interessenabwägung ist vorzunehmen, weil die Vertragsauflösung den Verkäufer härter trifft als die Preisminderung. 

Die körperliche Unversehrtheit von Personen wiegt jedoch immer schwerer als die finanziellen Interessen eines Händlers. Deswegen entschied der OGH im gegenständlichen Sachverhalt für die Vertragsauflösung. 

 

4. Fazit 

Mit diesem Urteil hat der OGH klargestellt, dass ein Mangel, der sicherheitsrelevant ist und den normalen Gebrauch beeinträchtigt, den Verbraucher jedenfalls zur Vertragsauflösung, zumindest aber zur Preisminderung berechtigt. Das gilt selbst dann, wenn er leicht zu beheben ist.

Als schwerwiegend gilt ein Mangel immer dann, wenn die jeweilige Sache die ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten Merkmale nicht aufweist.