Änderungen der Insolvenzordnung durch das RIRUG

Erstellt von Mag. Bianca Holzer |
Wirtschaftsrecht

Durch das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG), das die Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL, RL (EU) 2019/1023) umsetzt, wurde nicht nur die neue Restrukturierungsordnung (ReO) eingeführt. Folgende Neuerungen gibt es ua in der Insolvenzordnung (IO):

1. Schutz von neuen Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und Transaktionen im Zuge einer Restrukturierung (§§ 36a und 36b IO)

1.1. Kommt es im Zuge einer Restrukturierung iSd ReO zu neuen Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen, so sind diese nicht anfechtbar, wenn die Zahlungsunfähigkeit (dem Anfechtungsgegner) nicht bekannt war. Dies gilt für neue Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen, die im bestätigten Restrukturierungsplan enthalten sind oder vom Gericht genehmigt wurden.

Eine neue Finanzierung im Zuge einer Restrukturierung nach der ReO ist eine neue finanzielle Unterstützung, die von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger zur Umsetzung eines Restrukturierungsplans gegeben wird und die in diesem Restrukturierungsplan enthalten ist.

1.2. Transaktionen während einer Restrukturierung sind nicht anfechtbar, wenn sie vom Gericht genehmigt wurden und die Zahlungsunfähigkeit (dem Anfechtungsgegner) nicht bekannt war.

Transaktionen zur Zahlung von Gebühren und Kosten iZm dem Restrukturierungsplan oder für professionelle Beratung iZm der Restrukturierung sind auch dann nicht anfechtbar, wenn sie innerhalb von 14 Tagen vor dem Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens geleistet werden.

Transaktionen, die angemessen und für einen Restrukturierungsplan unmittelbar notwendig sind, sind nicht anfechtbar, wenn sie im Einklang mit dem vom Gericht bestätigten Restrukturierungsplan innerhalb von 3 Monaten nach der rechtskräftigen Bestätigung des Restrukturierungsplans durchgeführt werden und (dem Anfechtungsgegner) die Zahlungsunfähigkeit nicht bekannt war.

2. Eingeschränkte Befugnisse des Schuldners bei Eigenverwaltung (§ 187 IO)

Klarstellend wurde durch die Novelle Folgendes adaptiert:

  • Verfügungen des Schuldners über die Insolvenzmasse sind nur wirksam, wenn das Insolvenzgericht zustimmt.
  • Verbindlichkeiten, die der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sind nur dann Masseforderungen, wenn das Insolvenzgericht zustimmt.
  • Der Schuldner hat kein Recht, die kridamäßige Verwertung der Insolvenzmasse (Betreibung oder Versteigerung über das Gericht) zu beantragen.

3. Quote des Zahlungsplans und Berücksichtigung von nicht angemeldeter Forderungen (§§ 194 und 197 IO)

Der Schuldner muss den Insolvenzgläubigern im Zahlungsplan mindestens eine Quote anbieten, die seiner Einkommenslage in den folgenden 3 Jahren entspricht (statt wie bisher in den folgenden 5 Jahren).

Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, haben nur Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote, wenn sie nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt wurden. Damit ist die Übersendung des Insolvenzedikts durch das Gericht (ohne Zustellnachweis) gemeint. Die öffentliche Bekanntmachung im Edikt allein ist keine ausreichende Verständigung. Der Anspruch auf die im Zahlungsplan genannte Quote gilt jedoch nur für die Restlaufzeit des Zahlungsplans (mindestes aber bis 3 Jahre ab Annahme des Zahlungsplans).

4. „Kurzes Abschöpfungsverfahren“ (§ 199 und § 201 IO)

Zur Umsetzung der Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL, Richtlinie (EU) 2019/1023) wurde ein „kurzes Abschöpfungsverfahren“ mit Tilgungsplan (3 Jahre) - zusätzlich zum „normalen Abschöpfungsverfahren“ mit Abschöpfungsplan (5 Jahre) - ergänzt.

5. Weitere Änderungen im Abschöpfungsverfahren

  • Es besteht ein Aufrechnungsverbot mit jeder Forderung des Schuldners (nicht nur  mit von der Abtretungserklärung erfassten Bezügen); dies soll die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger sicherstellen (§ 206 Abs 3 IO). Davon ausgenommen ist eine Aufrechnung nach §§ 19 und 20 IO.
  • Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, sind bei der Verteilung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verständigt wurden, ihre Forderungen feststehen und die Insolvenzgläubiger dies dem Treuhänder angezeigt haben (§ 207 Abs 1 IO).
  • Das Abschöpfungsverfahren kann auch beendet werden, wenn sämtliche angemeldete Insolvenzgläubigerforderungen befriedigt werden (§ 213 Abs 1 IO).
  • Beim kurzen Abschöpfungsverfahren (= mit Tilgungsplan) wurden weitere Einleitungshindernisse ergänzt (ua wenn der Schuldner nicht binnen 30 Tagen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Beschlusses durch das Exekutionsgericht über die offenkundige Zahlungsunfähigkeit (§ 49a EO) beantragt hat oder, wenn er Verbraucher ist, stattdessen keine Maßnahmen gegen die Zahlungsunfähigkeit setzt; oder wenn der Schuldner binnen 5 Jahren vor dem Abschöpfungsverfahren unverhältnismäßige Verbindlichkeiten eingegangen ist oder Vermögen verschleudert hat; § 201 IO).
  • Beim kurzen Abschöpfungsverfahren ist ein Widerruf der Restschuldbefreiung auch bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Schuldners (wegen betrügerischer Krida, Begünstigung eines Gläubigers, Vollstreckungsvereitelung oder Abgabe eines falschen Vermögensverzeichnisses) möglich (§ 216 Abs 1 IO).
  • Die Bestimmungen zum kurzen Abschöpfungsverfahren treten für Verbraucher mit 17.07.2026 außer Kraft, außer der Antrag auf Durchführung des kurzen Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung ist vor dem 17.07.2026 bei Gericht eingelangt (§ 283 Abs 9 IO).