Änderung der Rechtsprechung bei Dienstunfällen im Homeoffice (OGH 27.04.2021, 10 ObS 16/21k)

Erstellt von Mag. Fridolin Fahringer |
Wirtschaftsrecht

Nach neuer Rechtsprechung ist nur noch die Absicht der Handlung im „Homeoffice“ heranzuziehen: Wenn die objektive Handlungstendenz (Intention) der unfallbegründen-den Tätigkeit aufgrund einer dienstlichen Tätigkeit basiert, ist ein Arbeitsunfall zu beja-hen, und eine Versehrtenrente steht zu.

1. Hintergrund

Der Arbeitnehmer und spätere Kläger arbeitete in seinem mehrstöckigen Einfamilienhaus im Homeoffice. Sein „Büro“ war im ersten Stock eingerichtet, die Treppe zwischen 1. Stock und Erdgeschoss wurde überwiegend privat genutzt.

Der Arbeitnehmer erwartete am Tag des Unfalls einen Anruf und befand sich zu diesem Zeitpunkt im Erdgeschoss, um dort mit einer Arbeitskollegin eine berufliche Besprechung durchzuführen. Als das Telefon im ersten Stock in seinem „Büro“ klingelte, eilte der Arbeitnehmer die Treppe hinauf, um den Anruf entgegenzunehmen. Dabei stürzte und verletzte er sich.

Nach der bisherigen Rechtsprechung war auf überwiegende Nutzung von sogenannten „Mischräumen“ wie Treppen abzustellen. Der Versicherungsschutz der Unfallversicherung begann erst dann, wenn der „rein persönliche“ Bereich verlassen wurde und der im wesentlichen Umfang genutzte betrieblich / beruflich genutzte Bereich betreten wurde. Gemischt genutzte Räumlichkeiten zählten unter dieser Rechtsprechungslinie nur dann zu Betriebsräumlichkeiten, wenn sie im wesentlichen Umfang für betriebliche Zwecke genutzt wurden. War die Treppe „überwiegend privat“ benutzt, lag kein Arbeitsunfall vor.

2. Entscheidung des OGH (neue Rechtsansicht):

Auch wenn der Arbeitnehmer die Treppe im vorliegenden Fall nicht überwiegend für betriebliche Zwecke benutzte, stieg er im konkreten Fall die Treppe hinauf, um einen beruflichen Anruf entgegen zu nehmen. Das Hinaufsteigen der mehrheitlich privat genutzten Treppe war von der objektiven Handlungstendenz (Intention) in Richtung einer dienstlichen Tätigkeit getragen und daher ist ein Versicherungsschutz aufgrund eines Arbeitsunfalles zu bejahen.